Work & Travel Australien: Das Landleben in Stanthorpe

Am 23. Oktober 2023 hatte ich die fürs zweite Working Holiday-Visum notwendigen 88 Tage Farmarbeit geschafft – und dennoch arbeitete ich weiter bei den Erdbeeren, da mir das Landleben und die Arbeit auf der Farm mit der Zeit so unfassbar gefallen hatten, dass ich es gar nicht mehr missen wollte.

Spaß und Sarkasmus beiseite, fand ich meine Tätigkeit mit dem Stapeln und Stempeln der Paletten gar nicht so schlimm, sodass ich noch knapp zwei weitere Wochen auf der Farm und im Summit Backpackers-Hostel verblieb, ehe es wieder zurück in die Zivilisation ging. Das hatte insbesondere finanzielle Gründe, auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt nur noch knapp auf über 30 Stunden in der Woche kamen. Aber die Miete war vergleichsweise gering und egal wohin ich jetzt gereist wäre, hätte ich mehr Ausgaben als Einnahmen gehabt. Längerfristig irgendwo hinfahren und sich dort einen Job zu suchen machte jedoch keinen Sinn, da es Anfang November nach Asien gehen sollte, weshalb ich die Zeit bis dahin noch mit dem Land- und Hostelleben in beschaulichen Stanthorpe verbrachte.

Wie ich mit dem Leben auf dem Land klar kam…

Einen großen Faktor dabei, dass ich mit dem Landleben so gut zurecht kam, hatte das Hostel. Dort habe ich nämlich relativ schnell Anschluss finden können und Leute kennengelernt, was normalerweise nicht so wirklich meine Stärke ist. So bestand die Zeit abseits der Farmarbeit aus verschiedenen Menschen, Eindrücken und Hintergründen, womit auch ich die ein oder andere neue Sache im Leben gelernt habe.

Unter anderem habe ich das erste Mal an einem echten Tisch Texas Hold’em-Poker gespielt, worauf ich noch in meiner Jugend über die TV total PokerStars.de Nacht kam und welches ich bis dato nur gegen Spielgeld oder Cent-Beträge gelegentlich online mal gespielt habe. Eric hatte die Runde am Anfang ins Leben gerufen und wir spielten am Anfang jeden Freitag Abend mit einem Tischeinsatz von $20 pro Person und zwischen vier und sechs Teilnehmern.

Drilling gegen Full House - nicht das einzige Mal, dass ich Glück bei den Karten hatte...

Wahlweise mit guten Karten, Bluffen oder auch einfach Taktik habe ich so in den in etwa fünf bis sechs Runden einen Gewinn von etwas mehr als einer Wochenmiete zusammenbekommen, was mir natürlich sehr entgegen kam, aber auch insgesamt viel Spaß gemacht hatte. Der Trick war es manchmal, einfach die Blinds abzusitzen, bis man garantiert einen Gewinn hatte, denn bei sechs Teilnehmer gab es beispielsweise nur für die letzten drei auch etwas zu holen.

Der Gemeinschaftsbereich im Hostel

Aber auch manch kleine Veränderung und „Tagesaufgabe“ machten das Landleben für die Zeit abwechslungsreich. So durfte ich einmal an einem Tag einen Minibus auf die Farm fahren, da sich die Farm bei Ankommen der Islander einen der beiden Busse des Hostels gemietet hatte. Hierbei konnte ich all meine Truck Simulator-„Expertise“ mit Wendekreisen und schlechter Sicht an den Tag bringen.

Der Minibus war deutlich moderner als mein Auto und damit eine gelungene Abwechslung...

Wiederum ein anderer Tag war mein Geburtstag – den ich ja nicht wirklich großartig feiere. Auch wenn ich zwischendurch überlegt hatte, es niemandem zu erzählen, habe ich es am Ende doch getan und wurde am besagten Montag nach einem 11 Stunden-Tag mit Ballons und Glückwünschen begrüßt – nachdem ich einige sehr leckere Muffins für die Leute in der Packhalle mitgebracht hatte.

Süßes auf der Erdbeerfarm gab es mit der Zeit aber auch so, denn mit dem Start der eigentlichen Saison öffnete auch der farm-eigene Shop. In diesem konnte man sich nicht nur Schälchen zum Pflücken eigener Erdbeeren in Form eines Pick your own strawberries-Familienausfluges zusammensammeln, sondern es gab auch allerlei Krimskrams rund um Erdbeeren. Neben nicht essbarem, wie Socken, Spielzeugtraktoren, Schlüsselanhängern und so weiter gehörte dazu natürlich auch ess- und trinkbares, in dessen Zubereitung sich Claudia von Anfang an versuchte und mit einem strahlenden Lächeln freitags, samstags und sonntags Milchshakes, Smoothies und Eiscreme anbot. Bei dieser Auswahl ist insbesondere letztere zu meinem persönlichen Highlight der Woche geworden, über die ich mich an jedem Freitag und Sonntag gefreut hatte (samstags hatten wir frei).

Im Shop gab es essbare und nicht-essbare Erdbeeren...
Es gab vor allem aber auch unfassbar leckeres Eis

Im Laufe der Arbeitslosigkeit zwischen den Zeiten auf der Erdbeerfarm entdeckte ich zudem wieder meine musikalische Ader, denn zum einen befand sich im Gemeinschaftsbereich ein leicht verstimmtes Klavier, auf dem ich – erst mit YouTube-Tutorials und irgendwann dann auch mit Noten – ein wenig damit anfing, die begrenzten Musik-Fähigkeiten meiner Jugend aufleben zu lassen. Als sich hin und wieder mal andere Mitbewohner an dem Instrument ausließen, wie beispielsweise Lucie, lauschte ich nicht nur gespannt zu, sondern ärgerte mich immer ein wenig über die fehlende Motivation meines Vergangenheits-Ichs, sich weiter mit dem Musizieren auseinanderzusetzen. Aber vielleicht schafft es ja das Zukunfts-Ich irgendwann.

Meine ersten Versuche an einer Gitarre

Einen ersten Schritt in diese Richtung unternahm ich in den letzten drei Wochen meines Aufenthalts, in denen Tata aus Bali zu uns ins Hostel dazukam und auch auf der Farm anfing. Er konnte nämlich Gitarre spielen und dazu singen (ein wenig im Stil der Gruppe Music Travel Love, deren Musik ich beim Aufenthalt im Airbnb in Coffs Harbour kennenlernte), was er auch öfter einfach so im Gemeinschaftsbereich tat. Dabei hatte er aber nicht nur eine, sondern gleich zwei Gitarren, sodass er mir irgendwann anfing, einige Akkorde (unter anderem C, G, D und Am) und einige grundlegenden Elemente des Gitarrespielens beizubringen, woran ich auch ziemlich viel Spaß hatte.

…und das irgendwann gar nicht so schlimm fand…

Hin und wieder ging es aber auch mal raus aus dem Hostel. Manchmal führte der Weg lediglich auf das Nachbargelände, auf welchem das Summit Estate Weingut beheimatet war, welches freitag- und samstagabends zu einem Lagerfeuer samt Weintasting einlud: Für einen soliden Preis von $20 konnte man sich vier Weine auswählen, von denen man dann je ein „Probierglas“ in einem schicken Holzständer bekam und mit dem man den Sonnenuntergang hinter den zum Gut zugehörigen Weinfeldern genießen konnte.

Probier-Weinrunde im Summit Estate

Aber auch in der näheren und weniger nahen Umgebung gab es einiges zu entdecken und zu unternehmen, sodass es zumindest rückblickend nicht sooooo langweilig war, auch wenn manche Tage an sich betrachtet das vielleicht vermuten ließen. So bot der Donnellys Castle – eine Steinformation und keine Burg – eine wunderschöne Aussicht bei Tag und eine noch atemberaubendere Aussicht auf den Himmel bei Nacht, wo ich bei dem ein oder anderen Telefonat den Sternen und Flugzeugen beim Leuchten zusah und auch die ein oder andere Sternschnuppe erblickte.

Ausblick vom Donnellys Castle
Die Sonnenuntergänge waren jedes Mal aufs neue malerisch

Auf dem Weg nach Stanthorpe fand sich mit der Granite Belt Maze ein kleiner „Freizeitpark“, bei dem man in einem Labyrinth ein Buchstabenrätsel lösen musste und als Belohnung dann auf einer 9 Loch-Bahn seine Minigolf-Fähigkeiten unter Beweis stellen durfte. Den Eintrittspreis von $20 fand ich zwar happig, auch weil wir dann nicht mal eine zweite Runde Minigolf spielen durften, ohne extra zu bezahlen (es gab kaum Besucher, aber aus dem letzten Loch konnte man den Ball nicht wieder rausnehmen). Insgesamt war es dennoch ein witziger Ausflug.

Eine verlassene Tankstelle unweit des Hostels
Der "Bahnhof" von Thulimbah, dem Ort, in dem das Hostel war - hier hielt nur alle paar Monate ein Touri-Dampfzug

In der Nähe gab es außerdem die Granite Belt Christmas Farm, einen ganzjährig geöffneten Weihnachtsladen, dessen Idee ich im August noch witziger fand als im Oktober. Das führte am Ende dann auch dazu, dass ich es komplett vergaß, dort hinzufahren.

Aber auch in Sachen Natur hat die Region einiges zu bieten: In Stanthorpe selbst fließt der Quart Pot Creek, ein an sich kleiner Fluss, der in der Stadt selbst aber diverse Parkanlagen um sich herum zum Verweilen und Ausruhen anbietet. Etwas, was ich in den Monaten in Australien in so ziemlich jeder Stadt gefunden habe, in der ich war und worum man sich auch entsprechend kümmert: Denn ich habe dabei noch nie wirklich verwahrloste oder ungepflegte Anlagen gesehen, egal ob in Melbourne, auf Bribie Island, in Brisbane oder in Coffs Harbour.

Der Quart Pot Creek in Stanthorpe
Der Quart Pot Creek in Stanthorpe

Abseits von Stanthorpe gibt es zum Beispiel den Boonoo Boonoo National Park, in welchem auch einige Bademöglichkeiten und Barbecueplätze eingerichtet sind, zu dem ich es aber nie geschafft habe. Ganz im Gegensatz zum Main Range National Park, in dem die Queen Mary Falls zu besichtigen waren. Diese liegen etwa eine Autostunde nordöstlich vom Hostel und waren ideal für einen Tagesausflug, den ich zusammen mit Alex, Hadi und deren Zimmermitbewohner bestritt. Die beiden erstgenannten kamen aus Deutschland, waren ein paar Jahre jünger als ich und sind zuvor einige Monate durch Asien gereist und gefeiert, ehe sie – insbesondere aus finanziellen Engpässen – im malerischen Stanthorpe am Ende mehr Zeit verbracht haben, als in allen asiatischen Ländern auf ihrer bisherigen Reise zusammen. Durch ihren beruflichen Hintergrund im Fitnessstudio nahm ich die ein oder anderen Tipps im Bezug auf Ernährung und Training mit und wurde von Hadi irgendwann auch zu meinem allerersten Klimmzug motiviert, welchen ich genauso erfolgreich meisterte, wie die darauffolgenden beiden danach.

Main Range National Park

Zur Prallzone – wie Wikipedia den Punkt des Wasserfalls beschreibt, an dem das Wasser am Boden wieder ankommt – führte ein insgesamt zwei Kilometer langer, relativ einfacher Wanderweg, der einen 40 Meter in die Tiefe brachte. Hier überquerte man den unteren Wasserlauf und wurde auch ein wenig vom fallenden Wasser nass, was bei den warmen Temperaturen und einer in meinem Auto defekten Klimaanlage ganz angenehm war. Wieder beim Beginn der Fallstrecke angekommen gab es auch eine Aussichtsplattform, von welcher man nun von oben auf den ganzen Wasserfall schauen konnte. Abgerundet wurde der Zwischenstopp vom auf der anderen Straßenseite liegenden Campingplatz, bei dem wir uns alle einen leckeren Burger mit Pommes zur Stärkung gönnten.

Queen Mary Falls von unten
Queen Mary Falls von oben

Der zweite Wasserfall in der Nähe war der Daggs Falls. Hier konnte man nicht runter und es gab lediglich einen Aussichtspunkt direkt an der Straße, wo wir nur ein paar Minuten verweilten. Ausgeglichen wurde dies dann vom Brown Falls etwa zwei Kilometer Fahrstrecke weiter, denn der Weg bis zum Wasserfall selbst entlang des Flusslaufs war steinig und schwer und erforderte teilweise etwas mehr Gleichgewicht und Kletterkünste. In der Prallzone angekommen konnte man diese wahlweise rechts oder links erreichen und nur Alex war so wagemutig, hinter dem Wasserfall die Seite zu wechseln, wobei er auf dem Weg wieder runter seine Sonnenbrille in den Wassermassen verlor.

Daggs Falls
Brown Falls
Der Weg zu den Brown Falls war nicht ganz so einfach
Der Weg zum Nationalpark hingegen auch einfach nur malerisch

Auf dem Rückweg hielten wir dann noch kurz in Warwick, der mit 15.000 Einwohnern so großen Stadt, dass sie sogar ein modernes Einkaufszentrum besaß (und Ampeln!). Denn zu dem Zeitpunkt unserer Reise fing gerade die Ernte der frühreifen Erdbeeren an und ich wollte unbedingt einen Erdbeerkuchen machen und suchte dafür einen Fertig-Biskuitboden, in den dann die Erdbeeren und roter Tortenguß kämen. Die Glasur (oder sowas ähnliches) konnte ich tatsächlich finden, aber den richtigen Kuchenboden habe ich in Australien bisher weder im letzten Kaff, noch in der Metropolregion Brisbane erspähen können. Auch an jenem Tag in Warwick nicht, was meine Motivation bis zum vorletzten Tag auf der Farm begrub, überhaupt irgendwas anderes (wie einen Milchshake oder Smoothie) aus den Erdbeeren zu machen, als sie in einen Joghurt zu geben.

…aber dennoch fast deswegen heulen musste

An anderen Tagen führte der Weg wiederum möglichst weit weg von Stanthorpe und möglichst nah an die Zivilisation. Dazu zählen im Grunde drei Ausflüge, nämlich die Tagestour auf die Litschi-Farm samt kurzem Stadtbummel in Brisbane, der Wochenend-Ausflug an die Gold Coast, Brisbane und Sunshine Coast im Rahmen meiner ersten Flugstunde sowie ein dritter und letzter Ausflug nach Brisbane mit Zwischenhalt an der Gold Coast. Dieser ergab sich aufgrund der Tatsache, dass Mitte Oktober die Nationalwahlen in Polen waren und Karolina, die mit mir auf der Erdbeerfarm gearbeitet hatte, ihre Stimme abgeben wollte, was an jenem Sonntag in Brisbane möglich war.

Jedoch hatten wir nur den Samstag als einzigen Tag in der Woche frei und so entschieden wir uns, am Samstag bereits an die Gold Coast zu fahren, wo ich ihr ein bisschen Surfers Paradise zeigen konnte und wir einige Stunden Strand, Meer und Sonne genossen, ehe wir im YHA Brisbane City-Hostel übernachteten (was mit $75 pro Person und $20 pro Auto in einer sehr sehr engen Parkebene nicht sonderlich günstig war). Karolina war bereits bei ihrem ersten Aufenthalt in der Metropole in dem Hostel und schien begeisterter davon als ich vom Brisbane Quarters, in dem ich einige Monate zuvor übernachtet hatte. Und ich sollte nicht enttäuscht werden, denn obwohl das YHA mit zwei Gebäudekomplexen unfassbar groß war, waren die Zimmer sauber und modern, die Küche ebenfalls und es gab eine Außenterrasse mit Pool und „Biergarten“, wo gerade eine billige Form des Oktoberfests stattfand (immerhin gab es Brezeln). Wir haben uns am Ende nach einem obligatorischen Stop in der polnischen Abteilung des internationalen Ladens Coco’s Annerley jedoch für einen Cocktail (und ich einen Burger) in der Ivy Blu Rooftop direkt gegenüber dem Imbiss Abbra Kebabra entschieden (tut mir Leid, ich finde den Namen immer noch lustig).

Ich denke, zu diesem Foto vom Surfers Paradise Beach muss nicht viel gesagt werden
Abendessen in der Ivy Blu Rooftop-Bar

Ich hatte mich vor dem Essen noch mit Nik, dem Entwickler der Software auf der Erdbeerfarm getroffen, die für das Zählen der gesammelten Erdbeeren, der gepackten Schälchen und alles damit verbundene verantwortlich war und wo sich vielleicht eine Job-Möglichkeit ergeben könnte. Er wohnte im West End, einem sehr internationalen Viertel direkt auf der anderen Seite des Brisbane River, in einem ziemlich modernen eckigen Haus mit fast nur Glas- und Holz-Elementen, offenen Bereichen und einem etwas unüberschaubaren Garten. Insgesamt war es sehr interessant, ihn kennenzulernen und sich mit ihm über Projekte und auch Ideen auszutauschen. Das einzig schmerzhafte an dem Besuch war, dass ich als absoluter Tierfreund eine Gattung habe, die ich über alles verachte, die sich im Außenbereich des Hauses aber sehr wohl fühlte: Mücken. Und diese fühlten sich nicht nur beim Haus sehr wohl, sondern natürlich auch an meinen Füßen und Beinen, weshalb wir das Gespräch nach rund einer Stunde beendeten und ich mich mit sicher zehn Mückenstichen wieder zum Hostel begab. Glücklicherweise hatte Alex im Hostel in Stanthorpe einen biteaway dabei…

Brisbane am Morgen
The Polish Club

Am Sonntag morgen standen wir dann kurz vor sieben Uhr auf, kamen kurz beim Polish Club für die Wahl vorbei, organisierten uns was kleines zum Frühstück für unterwegs und machten uns auf den Weg zurück nach Stanthorpe, wo wir kurz nach 10 im Hostel und gegen 11 auf der Farm ankamen – und ich war froh, dass Karolina auch einen Teil der Strecke gefahren ist und ich zum ersten Mal im eigenen Auto Australien als Beifahrer „entdecken“ durfte. Auf der Farm kamen wir deshalb an, weil wir am Sonntag kein frei bekommen hatten. Wir hatten aber auch nicht danach gefragt, sondern nur, ob wir denn zwei Stunden später da sein dürften.

Diese für mich zu diesem Zeitpunkt dritte Wieder-Begegnung mit der Zivilisation seit der Ankunft in Stanthorpe war für mich auch die schlimmste. Denn die Mischung aus dem sauberen und modernen Hostel, die Möglichkeit irgendwo hin essen und trinken zu gehen, den Tag am Strand und auch die – teilweise ein wenig lästig vielen – Menschen um einen herum, sorgten alle zusammen dafür, dass ich beim Cocktail am Abend, beim Aufstehen am Morgen und auch am Anfang des Rückweges mit meinen Tränen kämpfen musste, weil ich nicht mehr wieder zurück wollte.

Mich motivierte an diesem Tag zwar der Fakt, dass es nur noch drei Wochen waren. Ich davon knapp zwei sogar komplett freiwillig bestritt. Und die Zeit schnell verfliegen würde, was am Ende auch der Fall war. Dennoch war ich alles andere als angetan davon, wieder zurück ins Nichts zu fahren. Und während ich beim letzten Mal geschrieben hatte, dass das Fehlen von allem in der Zivilisation auf dem Land nicht so spürbar ist, weil man eben nicht damit konfrontiert wird, war es dieses Mal ein wenig anders. Denn irgendwann war für mich das Erlebnis Land für den Moment zumindest fertig – und dieser Moment war genau an diesem Wochenende erreicht.

Dazu kam nämlich auch noch, dass sich das Hostel in all der Zeit gewandelt hatte: Viele Leute sind wieder auf Reisen gegangen, viele Neue kamen dazu. Viele davon hatten französische Wurzeln, was für mich per se nichts schlimmes ist, aber auch im Austausch mit einigen anderen länger eingesessenen merkte man eine klare Form der Gruppenbildung, dass die Küche am frühen Morgen in einem fast schon widerwärtigen Zustand war und dass die Stimmung im Hostel einfach eine andere war. Kombiniert damit, dass ich aber auch nicht mehr sonderlich die Energie hatte, um groß neue Leute kennenzulernen, verbrachte ich einen großen Teil der Zeit am Ende dann mit der „deutschen Runde“, zu der neben den bereits erwähnten Ex-Asien-Backpackern Alex und Hadi, den frischen Abiturientinnen Lucie und Rosa auch noch der mittlerweile fast schon „native Australian“ Maxi gehörte.

Auf ins große Ungewisse…

Mit all denen ging es am Ende dann auch ins Aussie Beef Steakhouse, um meinen letzten Abend in Stanthorpe zu „feiern“. Die vorhergehenden Tage waren insgesamt etwas komisch. Ich war aus eben genannten Gründen nicht sonderlich traurig über den Abschied aus dem Hostel, aber ich hatte mich nicht wirklich auf ein Danach vorbereitet gefühlt. Wobei ich egal was hätte tun können und es hätte diesen Zustand nicht verändert, da ich zu diesem Zeitpunkt weiterhin kein riesiger Freund der Reise ohne groben Plan war und bin (ich hoffe, das ändert sich irgendwann einmal).

Abschiedsessen im Aussie Beef Steakhouse

Ich wusste zwar, dass es von Stanthorpe erstmal nach Brisbane und dann für drei Wochen nach Asien geht, wovon ich das meiste zumindest an Flügen und Unterkünften schon gebucht hatte. Und ich hatte zumindest auch schon einen groben geografischen Plan, wo es dann wieder zurück in Australien hingehen sollte, genauso wie ich auch ein Ziel hatte, auf welches ich hinarbeiten wollte. Dennoch hätte ich mich zu diesem Zeitpunkt deutlich wohler damit gefühlt, wenn ich in Sydney beispielsweise schon einen Arbeitsplatz in Aussicht hätte und nicht „blind“ und allein in die riesige Weltmetropole reisen würde. Aber ich versuchte mich immer daran zu erinnern, dass sich alles schon irgendwie ergeben würde. Und falls nicht, gehört das eben auch dazu.

Und mit diesen Gedanken vergingen die letzten Tage im Hostel und auf der Farm wieder wie im Flug. Ich leerte langsam meine Essens- und Getränkevorräte, verabschiedete mich nach einem letzten dreistündigen Arbeitstag am Donnerstag von der Farm, packte meine Sachen wieder in meinen Backpack und versuchte mich mental auf diverse Eindrücke vorzubereiten, die mich in den nächsten Wochen erwarten würden.

Als Erinnerung an die Zeit auf der Farm nahm ich mir darüber hinaus noch einige Erdbeersamen mit. Diese „extrahierte“ ich aus einigen Erdbeeren, die beim Packen übrig geblieben waren oder von der allseits geliebten Maschine zermatscht wurden mithilfe der vom YouTube-Kanal Kalinkas Küche beschriebenen Methode: Ich schälte die Erdbeeren (in der Schale befinden sich ja die Kerne), gab die Schalenstücke von etwa 5-10 Erdbeeren in einen Mixer, ergänzte das um circa einen halben Liter Wasser und pürierte das mit der leichtesten Stufe gut, aber nicht zu gut, durch. Dann nahm ich mir ein kleines Sieb (welches ich sogar extra noch im Supermarkt gekauft hatte) und goss das Erdbeerwasser durch das Sieb, um die letzten Fruchtreste und die Samen aufzusammeln.

Ob aus diesen Erdbeersamen was wird? Und vor allem, wann ich das mal herausfinde... :D

Die Reste kamen wieder mit frischem Wasser in den Mixer und nach drei bis vier Durchgängen schwammen hunderter kleiner Samen durch das mittlerweile kristallklare Wasser. Diese gab ich dann auf ein Stück Küchenpapier (beziehungsweise mangels dessen Toilettenpapier) und ließ sie für einen Tag trocknen, ehe ich sie sehr improvisierend in eine kleine Papier-Packung verpackte, mit Sorte, Datum und Herkunft (also welchem Feld) beschriftete und mit Klebeband sicher verpackte. All das in der Hoffnung, dass ich irgendwann, wenn ich mal wieder etwas mein Zuhause nennen kann, mir meine eigenen Erdbeerpflanzen aus Samen wachsen lassen kann von der Farm, auf der ich fast drei Monate lang gearbeitet habe.

Wenn das Smartphone einfach ausgeht – und nicht wieder an…

Ansonsten hatte mein Smartphone, seinerseits ein Google Pixel 4a 5G mit mittlerweile dreimal durchlebtem Bildschirmtausch bei Google persönlich, am letzten Wochenende eine nicht zu kleine Macke: Denn es ging an meinem letzten freien Morgen vor dem Arbeitsende beim Schauen eines YouTube-Videos einfach aus. Und nicht wieder an. Auch irgendwelche Tastenkombinationen und das Anschließen ans Ladegerät brachten keine Lebenszeichen, am Laptop wurde das Gerät lediglich als QUSB_BULK_CID:0413_SN:… erkannt, was einige Foren als Hardware-Defekt verstanden und mich vor die Wahl nach einem neuen Gerät stellte. Das hatte ich zu dem Zeitpunkt aber gar nicht vor, dennoch verbrachte ich den Samstag dann fast vollumfänglich damit, nach Smartphones zu suchen und mich am Ende zwischen dem Pixel 7 in der 256GB-Version und dem Pixel 7a zu entscheiden und stellte mir auch die Frage, ob es sinnvoller wäre, es in Australien zu kaufen oder aus Deutschland von meiner Schwester bringen zu lassen.

An jenem Halloween-Abend, als ich meine Elektronik-Sachen aus dem Gemeinschaftsbereich aufs Zimmer bringen wollte, um sie vor eventuellen Flüssigkeiten zu schützen, dachte ich mir nichts mehr dabei und versuchte noch einmal, das Pixel 4a zu starten – und siehe da es ging an. Es hing sich kurz nach diesem Start zwar wieder auf, startete dieses Mal aber einfach nur neu und blieb dann auch an, sodass ich alle Daten der letzten Woche sichern konnte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nämlich mein letztes (und in Stanthorpe auch einziges) Backup gemacht.

Am Mittwoch geschah morgens wieder exakt dasselbe, wobei es am Nachmittag wieder anging, aber natürlich war die Vertrauenswürdigkeit in das Gerät hinüber. Ich war dank Backup-Smartphone am Ende zwar nicht komplett aufgeschmissen, aber dennoch wäre es natürlich ärgerlich, wenn das Gerät, welches auch gleichzeitig als Kamera fungiert, seinen Geist aufgibt. Also wurde es kurz vor dem Abflug nach Asien dann doch noch Zeit, für ein neues Smartphone. Ich hatte mich eigentlich schon für das Pixel 7 entschieden, aber irgendwie war das bei JB-Hi Fi in Brisbane dann doch nicht verfügbar (obwohl online morgens noch was anderes da stand), sodass es dann eben doch das Pixel 7a wurde – wie habe ich oben geschrieben: „Es wird sich alles schon irgendwie ergeben. Und falls nicht, gehört das eben auch dazu.“ (Interessanterweise nutze ich (aus Faulheit, das Pixel 7a fertig einzurichten und die eSIM-Karten zu kopieren) das Pixel 4a 5G zwei Wochen später immer noch und das Problem ist bisher nicht noch einmal aufgetaucht. Wirklich warm geworden bin ich mit dem Pixel 7a am Ende nie, sodass ich mir in Sydney ein neues Pixel 4a 5G geholt habe und das 7a dann gebraucht verkauft habe, da eine Rückgabe nicht mehr möglich war.)

Auf Wiedersehen, Stanthorpe!

Der Abschied aus der Region Stanthorpe hatte am Ende noch ein kleines Fragezeichen und einige Schreckmomente an sich, denn am Anfang der letzten Woche wüteten einige bushfire in der Region. Das konnte man bereits in der Woche riechen, wenn man morgens aus dem Zimmer ging und die Luft unfassbar nach Feuer stank. Manchmal konnte man es auch sehen, weil bestimmte Straßenstücke wie auch der Horizont ziemlich neblig waren. Am extremsten zu sehen war das an dem Sonnenuntergang, was mich unfassbar an den Smog in Bangkok erinnerte.

Sehr fördernd für die bushfire war mit Sicherheit das Wetter, denn ich kann mich in der Zeit von Anfang September bis Ende Oktober nicht an mehr als zwei Regentage erinnern – ansonsten schien immer die Sonne und es waren mittlerweile auch Temperaturperioden bis 32 Grad eingetreten. Laut der Warn-Seite der Regierung vom Staat Queensland waren die Feuer dabei nur wenige Minuten Autofahrt nördlich vom Hostel entfernt und machten sich auch im alltäglichen Leben bemerkbar: So war nämlich die A15, der New England Highway, auf dem Stück von Stanthorpe nach Warwick (und weiter nach Brisbane) genauso wie weiter südlich zwischen Stanthorpe und Tenterfield gesperrt. Hierdurch fuhr der Bus nach Brisbane nicht mehr und auch bei den Erdbeer-Bestellungen machte sich das bemerkbar, da es an einem Tag keine Paletten nach Sydney gab (nach Brisbane war es aufgrund der geringeren Entfernung wohl einfacher auszuweichen).

Als es dann am Freitagmorgen auf Reisen ging, war der Highway wieder frei, aber die Gründe für die Sperrungen waren sehr offensichtlich: Auf einem Stück von mehreren Kilometern wirklich nur ein paar Minuten nördlich vom Hostel war alles, was noch an Vegetation am Straßenrand vorhanden war, schwarz. An manchen Stellen qualmte es auch noch ein bisschen und wir (ich hatte Katerina, die ebenfalls am selben Tag das Hostel verlassen hatte, nach Brisbane mitgenommen) begegneten auf der Strecke so vielen Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, wie ich sie noch nie im Leben gesehen hatte. Es sah ziemlich dystopisch aus und war sehr beklemmend durch dieses sicher fünf Kilometer lange Stück zu fahren, auf dem die Waldbrände direkt um die Straße herum gewütet haben.

Glücklicherweise gab es in der betroffenen Region keine Opfer zu vermelden und auch keine größeren Siedlungen, wenn auch natürlich einige Grundstück Schäden davon getragen haben, was man die Tage aus den Nachrichten entnehmen konnte:


Auch nördlich von Warwick konnte man auf der etwas mehr als zwei Stunden andauernden Strecke einige, wenn auch nicht so starke Spuren der Waldbrände abseits des Highways sehen.

Hallo, Brisbane!

Ansonsten war die Fahrt zurück in die Zivilisation eher unspannend und nachdem ich Katerina im Westen von Brisbane rausgelassen hatte, ließ ich mein Auto in der Nähe der Fährstation Regatta an einem Park & Ride-Parkplatz. An der Fähre angekommen gab es erst einmal ein aus den Resten im Hostel vorbereitetes Baguette und eine Banane zum Mittagessen, ehe ich mit der Fähre für das Smartphone in den CBD übersetzen wollte. Allerdings fand ich irgendwann heraus, dass man den City Cat, wie die Schiffe in Brisbane heißen, nur mit der go card benutzen konnte, einer aufladbaren Karte für Bus und Bahn. Bargeld und Karte wurden nicht akzeptiert, man konnte auch keine go card an Bord kaufen und es gab auch keine Automaten oder sonstiges dafür an der Haltestelle.

Brisbane Skyline und Albert Street Uniting Church

Also ging ich wieder zurück zum Park & Ride-Parkplatz und nahm von da die Bahn in die Innenstadt. Dort erwarb ich, wie oben schon erwähnt, das Pixel 7a und schlenderte auf der Suche nach neuen Schuhen auch so ein wenig durch die Innenstadt, deren Geschäfte mittlerweile komplett mit Weihnachtsartikeln zugekleistert waren – eine Sache, die ich bei 30 Grad seit Wochen einfach überhaupt nicht fühlte. Am Ende wurde ich aber in einem Target etwas außerhalb vom CBD fündig, erlebte auf dem Weg dorthin aus der Entfernung zum glaube ich ersten Mal im dichten Feierabendverkehr einen Auffahrunfall mit und belohnte mich für die letzten drei Monate mit einem Besuch im bereits weiter oben erwähnten Polish Club mit einer fabulösen polnischen Gurkensuppe und einem noch fabulöseren Schnitzel mit Kartoffelpüree, Salat und – selbstverständlich – einem polnischen Bier dazu.

Die markante Roma Street Station in Brisbane

So bestens gestärkt ging es dann auch ohne Umwege zum Flughafen, denn es wurde nach acht Monaten in Australien – der bisher längsten Zeit, die ich in einem anderen Land als Deutschland verbracht habe – Zeit, den Kontinent zumindest für einige Wochen zu verlassen…

Einfach nur lecker :D
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