Work & Travel Australien: Arbeiten auf einem Erdbeerfeld

Prolog: Abgesehen von einem Probearbeitstag in einem Handyzubehör-Laden in dem nahe gelegenen Shopping-Center meines Apartments habe ich in den zwei Monaten in Coffs Harbour an sich relativ wenig gemacht. Mit dem Kauf meines Autos hatte ich zwar auch die etwas weitere Umgebung der Stadt erkundet und ich könnte damit sicher noch einen zusätzlichen Blogeintrag füllen, aber jetzt ein Jahr später – wo ich diese Einträge vervollständige – möchte ich mehr nach vorne blicken.
Mit dem Auto hatte ich nun auf jeden Fall die notwendige Mobilität, um den Rest der 88 Tage Farmarbeit anzugehen, die für die Beantragung des zweiten Working Holiday-Visums notwendig waren. Zunächst stand dabei die Region um Coffs Harbour hoch im Kurs, da dort in Kürze die Blaubeer-Saison beginnen sollte. Doch nachdem ich mit dem dortigen, eher partyorientierten Hoey Moey-Hostel nicht wirklich glücklich geworden bin (und das ist sehr diplomatisch ausgedrückt) und wieder offener für andere Orte war, traute ich mich irgendwann sogar, selbst Farmen anzufahren und vor Ort persönlich nach Arbeit zu fragen. Nach der ersten Nachfrage dieser Art noch vor der Farm im Auto sitzend erhielt ich einen Anruf über eine offene Job-Position, die ich dann natürlich auch sehr gerne annahm…

Am Telefon meldete sich Penny vom Summit Backpackers-Hostel bei mir, wo ich einige Tage zuvor online ein Formular für Arbeitssuchende ausgefüllt hatte. Sie und ihr Ehemann Ben betrieben ungefähr 350 Kilometer nordwestlich von Coffs Harbour ein Working Hostel, in welches sich die meisten Leute nur verirrten, um ihre notwendigen Arbeitstage für das Visum vollzubekommen – oder um Farmarbeit zu finden, einfach weil sie daran Spaß hatten oder so unkompliziert an Geld kamen. Meine Begeisterung für diese Art von Hostel war insgesamt sehr verhalten, da ich, insbesondere zu denen nördlich von Brisbane, oft viel Negatives gelesen hatte, was den Zustand, die Sauberkeit und die Organisation anging. Oft wurden diese Hostel in Bewertungen als Gelddruckmaschine für die Betreiber beschrieben, die sich nur rar um Arbeit kümmerten und genauso sehr das eigentliche Hostel pflegten – für beides aber relativ hohe Unsummen verlangten in Anbetracht der Verzweiflung mancher Backpacker auf ihrem Weg zu den 88 Tagen. Im Summit Backpackers war das aber anders, wie ich im Laufe der folgenden Monate feststellen durfte.

BEST Harvest Trail

Ben und Penny bemühten sich nämlich sehr um die Jobsuche für uns und hatten dadurch auch viele Kontakte zu umliegenden Farmen und Betrieben, aber es gab in der Region auch eine Vermittlungsagentur namens BEST, die sich professionell um die Verbindung von Arbeitenden und Farmern kümmerte und an die ich auch nach dem kurzen Telefonat mit Penny verwiesen wurde. Matthew, ein ruhiger Herr mittleren Alters, der gefühlt die einzige in der Agentur arbeitende Person war, hatte mir gleich nach dem Anruf einige Dokumente geschickt, wo ich Daten zu mir, meinem Visum und meinen Steuerdaten ausfüllen musste, ehe es am Montag (es war zum Zeitpunkt des Telefonats Freitag) losgehen konnte. Glücklicherweise hatte ich beim Anruf gleich meinen Laptop im Auto dabei, sodass ich alles an Papierkram erledigen konnte, während ich noch vor der Farm meines ersten (und einzigen) persönlichen Vorsprechens parkte.

Coffs Harbour Marina
Coffs Harbour
Mein Apartment für die zwei Monate
Mein Apartment für die zwei Monate
Diggers Beach
Diggers Beach
In dem Handyladen habe ich einen Tag probegearbeitet
Diese Ecke von Coffs Harbour erinnerte mich ein wenig an Kanada
Sonnenaufgang am Korora Lookout
Look At Me Now Headland

Als alles organisiert war, beschloss ich insbesondere aus finanziellen Gründen, noch bis Sonntag in Coffs Harbour zu bleiben (ich hatte das Hostel dort eigentlich für eine Woche bis Donnerstag gebucht, aber ich war aufgrund der Party-Lautstärke, des unerträglichen Schnarchens der Person unter mir im Hochbett und der chaotischen Zustände im ganzen Hostel, insbesondere in meinem Zimmer, froh, dort früher abhauen zu können).

Clog Barn
Clog Barn
Clog Barn
Frikandellen mit Pommes spezial

Die letzten zwei Tage in Coffs verbrachte ich unter anderem mit dem Besuchen einiger Sightseeing-Spots, wie dem Clog Barn, einem niederländischen Campingplatz mit Miniaturgarten, wo es originale Frikandellen mit Pommes spezial gab oder dem Look At Me Now Headland, wo ich nach einigen einzelnen Sichtungen zum ersten Mal auf eine große Gruppe freilebender Kängurus traf.

Da im Dezember ja Sommer ist, wurde im Winter "Christmas in July" gefeiert - und auf einmal stand im Einkaufszentrum ein Weihnachtsbaum

Da im Dezember ja Sommer ist, wurde im Winter "Christmas in July" gefeiert - und auf einmal stand im Einkaufszentrum ein Weihnachtsbaum

Außerdem besuchte ich nochmal meine Lieblingsorte in der Stadt, in der ich die letzten zwei Monate gewohnt hatte – die Strände und das Feld am Flughafen.

Fünf Stunden durch die australische „Wildnis“

Nach dem Frühstück am Sonntagmorgen verließ ich zeitig und glücklich das Hostel in Coffs Harbour und startete in eine 350 Kilometer lange Fahrstrecke nach Stanthorpe. Bereits am Samstag hatte ich mir hierfür – aber auch für den ersten Arbeitstag – einen Salat vorbereitet. So einen Salat fand ich in unbekannten Umgebungen nie verkehrt, insbesondere wenn nicht klar war, ob es vor Ort auch eine Mikrowelle gab.

Von Coffs Harbour aus ging es zunächst in Richtung Norden über den gut ausgebauten, vierspurigen Pacific Highway (A1), ehe ich bei Grafton eine rund 100 Kilometer lange Querfeldein-Abkürzung nahm, die mich zur B60 in Richtung Westen brachte. Dieses Stück zwischen Grafton und Tabulam bestand aus einer einsamen Straße, an dessen Seite es nur alle paar Kilometer mal ein Haus oder Farmgebäude gab und wo man auch höchstens alle halbe Stunde mal ein Auto traf. Teilweise war der Weg noch nicht einmal asphaltiert.

Die Ödnis auf diesem Stück ist mit der Zeit vor allem deshalb problematisch geworden, weil irgendwann die Motorkontrollleuchte zu blinken anfing. Mit dem Wissen, mich gerade im größten Nichts zu befinden, was ich in Australien bisher gesehen hatte, fühlte ich mich natürlich ein bisschen unwohl. Aber da das Auto einwandfrei weiterfuhr und auch keine komischen Geräusche von sich gab, beschloss ich, das Blinken bis auf weiteres zu ignorieren.

Nach einem Mittagsstop in Drake Village (nach etwa 225 km), ab wo die Straße dann auch wieder asphaltiert war, Straßenmarkierungen hatte und allgemein häufiger von Autos befahren wurde, ist das Blinken zu einem dauerhaften Leuchten übergegangen, was laut Google wohl weniger schlimm ist. Im Laufe der nächsten Tage ging die Kontrollleuchte dann nur noch bei der ersten Fahrt zur Farm am Montagmorgen an, danach die nächsten Wochen gar nicht mehr.

Der Bahnhof von Wallangarra auf Queensland-Seite
Der Bahnhof von Wallangarra auf New South Wales-Seite

Einen Anlass für einen weiteren kurzen Halt auf dem Weg zum Hostel fand ich noch in Wallangarra, da die Grenze zwischen New South Wales und Queensland genau durch diesen Ort ging. Hier gab es neben einem touristischen Spot für diesen Grenzübergang (welcher aber nur aus dem Schild und einem großen Queenslander-Schriftzug bestand) auch einen Bahnhof – beziehungsweise zwei. Denn scheinbar konnten sich New South Wales und Queensland damals nicht auf eine Spurbreite der Eisenbahnschienen einigen, sodass Passagiere auf der Reise von Sydney nach Brisbane hier den Zug wechseln mussten. Der 1887 erbaute Bahnhof wird heutzutage gelegentlich noch von historischen Fahrten genutzt, dementsprechend war er auch sehr ausgestorben und wirkte fast ein wenig wie ein Lost Place mitten in einem Dorf.

Am Grenzschild zwischen beiden Staaten

Ab Wallangarra war die restliche Fahrt relativ unspannend und nach insgesamt rund fünf Stunden erreichte ich das Hostel, wo mir Penny in Kürze alle Räumlichkeiten zeigte, ich meine Sachen in den Kühlschrank einräumte und mich kaputt ins Bett legte. Ich war so froh, dass mein neues Zimmer deutlich aufgeräumter war als das im Hoey Moey und es auch weniger Leute waren – zu diesem Zeitpunkt nur eine Person, die auf den Namen Paul hörte. Ich dachte zunächst, er käme aus Deutschland (da im Schrank eine deutsche Pflege-Lotion von Nivea stand, aber die gehörte ihm nicht), über die Zeit stellte er sich wohl als der vermutlich netteste Franzose heraus, den ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe (vielleicht wurde die Messlatte hier aber auch nie sonderlich hoch gelegt).

Mein Zimmer im Hoey Moey in Coffs Harbour
Mein Zimmer im Summit Backpackers

Willkommen in Stanthorpe/Thulimbah

Insgesamt habe ich mich im Summit Backpackers unfassbar schnell wohl gefühlt und konnte mit der Zeit auch Anschluss zu anderen Reisenden finden. Es war zwar nicht mehr alles hochmodern und schick, aber es war meistens sauber und ordentlich. Alle Räumlichkeiten waren auf verschiedene Gebäude verteilt und über eine große Außenfläche miteinander verbunden. Die Zimmer beherbergten zumeist drei bis maximal vier Personen, was die Größe für mich sehr angenehm machte – außerdem gab es in jedem Raum eine Klimaanlage, die im Winter als Heizung fungierte.

Summit Backpackers

Zweckmäßige Waschräume, eine geräumige Küche mit genug Schränken und dem eigenen Geschirr für jeden rundeten den Gesamteindruck ab. Dieser wäre aber nichts ohne Ben und Penny, die mit ihren Kindern und einigen Tieren auf dem Grundstück lebten und so nicht nur um ein harmonisches Miteinander, sondern auch um das Erreichen der 88 Tage/6 Monate aller sehr bemüht waren. Dadurch gab es auch einige Regeln, wie zum Beispiel das generelle Verbot von Bluetooth-Lautsprechern, um dessen Einhaltung sich die Betreiber auch kümmerten, was ich ziemlich begrüßt habe – kurz gesagt: Es ging in dem Hostel im Gegensatz zum Hoey Moey sehr zivilisiert daher.

Man darf natürlich nicht verheimlichen, dass das Hostel nicht wirklich in einer Großstadt lag – es lag noch nicht einmal in einer Stadt. Die nächste Stadt namens Stanthorpe mit immerhin 5.000 Einwohnern und dem nötigsten zum Leben – ja sogar einem Aldi, McDonald’s und anderen Ketten – lag 10 Minuten entfernt. Sofern man denn ein Auto hatte, was grundsätzlich sehr von Vorteil war, wie ich schon bei meinem ersten Farm-Job festgestellt hatte. Im äußersten Fall gab es seitens des Hostels auch einige Mietwagen, die wöchentlich verliehen wurden und tatsächlich hielt direkt vor dem Hostel auch ein von und nach Brisbane fahrender Reisebus. Es gab sogar eine Eisenbahntrasse direkt vor der Straße, allerdings fuhr dort nur die historische Southern Downs Steam Railway alle paar Monate und das auch nur zu touristischen Zwecken.

Der erste Tag auf der Erdbeerfarm

Nur eine Nacht nach dem Ankommen im Hostel ging es am Montag um acht Uhr auf der Farm los und um ein wenig früher da zu sein, peilte ich das Losfahren gegen 7:30 Uhr an und stellte mir zwei Wecker auf 6 Uhr morgens. Das frühe Aufstehen war zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich ein Problem, ganz im Gegensatz zur Kälte: Denn durch die 150 Kilometer Entfernung vom Meer und den herrschenden australischen Winter waren es morgens um diese Zeit fast Temperaturen um den Gefrierpunkt (glücklicherweise noch im positiven Bereich), mit denen der Weg auf Toilette oder in die Küche – was beides immer einige Schritte draußen bedeutete – eine kleine Qual, da ich keine wirklichen Wintersachen in meinem Gepäck besaß.

Dennoch war die Motivation hoch, denn ich wollte endlich den 88 Tagen näherkommen und so ging es nach Frühstück und Fertigmachen auch kurz nach 7:30 Uhr los zusammen mit Jamie und Josh zur Farm. Die beiden Backpacker aus Großbritannien warteten in dem Hostel nur auf einen „richtigen“ Job, da Jamie eigentlich im Jura-Wesen zuhause war und in dem Bereich auch in Australien Arbeitserfahrung sammeln wollte. Die beiden hatten jedoch kein Auto, was für mich insofern in diesem Moment von Vorteil war, da wir uns das Spritgeld über die nächsten zweieinhalb Wochen aufteilten.

Die Fahrt führte uns zu der Erdbeerfarm Ashbern Farms, auf der wir die nächsten Tage ein wenig tatkräftig unterstützen sollten. Es war seit meiner frühen Kindheit das erste Mal, dass ich eine Erdbeerfarm betrat und es war, glaube ich, insgesamt in meinem Leben das erste Mal, dass ich überhaupt einen landwirtschaftlichen Betrieb betrat, auf dem es nichts zu ernten gab. Wir wurden vom Chef persönlich begrüßt, der uns eine kurze Einführung in alle wichtigen Gebäude gab, die Sammelpunkte für Notfälle erklärte und uns auch gleich am ersten Tag mit dem Ein- und Ausstempeln vertraut machte. Auch gab es direkt ein digitales Onboarding, in dem alle Daten abgefragt wurden. Im Gegensatz zur ersten Farm-Erfahrung in Australien begrüßte ich das alles sehr, hatte es doch etwas ordentliches Deutsches hier 😀 (und war dem durch das digitale Onboarding vermutlich sogar schon eine Stufe hinaus). Auch hatte niemand, weder der Chef noch die Supervisor, die wir im Laufe der Tage kennenlernten und die alle eher ältere Damen waren, irgendeinen neuseeländischen Hintergrund, sodass das Englisch von allen viel verständlicher war. Bei dem ein oder anderen Begriff haperte es zwar noch (zum Beispiel war mir tin als Büchse/Dose unbekannt), aber es war nicht so, dass ich alles nachfragen oder mir mit viel Fantasie zusammenreimen musste.

Ansonsten war die Arbeitsatmosphäre weitestgehend locker. Wir sollten zwar ordentlich arbeiten und uns wurde auch gleich am Anfang gesagt, dass die, die eben nicht ordentlich arbeiten, irgendwann gebeten werden zu gehen. Aber ansonsten durften wir Musik hören und es gab für die Mittagspause eine Scheune, in der es neben Toiletten auch Mikrowellen, Kühlschränke, Wasserkocher und sogar einen Kontaktgrill gab. Die Arbeit fing immer um 8 Uhr an (außer an einem Freitag, da war es 7:30 Uhr, um früher in den Feierabend zu gehen) und endete gegen 15 Uhr, sodass wir jeden Tag auf etwa 6,5 Stunden kamen.

Endlich arbeiten!

Die Arbeit selbst war insbesondere am Anfang noch sehr abwechslungsreich: Mit Jamie, Josh, mir und Charlotte, einer australischen Studentin, die gerade eine Auszeit vom Studium machte, waren wir zu Beginn zu viert und Josh und ich halfen am ersten Tag erst dabei, auf einem noch leeren Feld diverse große Steine aufzusammeln. Diese brachten wir in die Schaufel eines uns hinterherfahrenden Baggers, sodass wir – im Gegensatz zu den Stöcken auf der ersten Farm – nicht dauernd hin und her laufen mussten. Nach einer Stunde wechselten wir auf ein anderes Teilfeld, wo bereits ein Graben für eine Wasserleitung ausgegraben war und es unsere Aufgabe war, die Rohre daneben zu verteilen und beim Zusammenstecken und -kleben zu helfen. Bevor der Graben wieder mit Erde gefüllt werden konnte, mussten die Ecken mit Zement verstärkt werden, damit der Wasserdruck hier nichts bewegen konnte. Während Andrew, einer der festen Mitarbeiter, die erste Ladung Zement in einer Schubkarre anmischte, durften wir die zweite und dritte anmischen – und Gott, war das anstrengend, wenn man kaum Kraft in den Armen hat. Hätte ich nicht zumindest kleinere Home-Workouts in Coffs Harbour gemacht, dann hätte ich hier noch kläglicher versagt 😀

Die ersten Arbeiten auf der Farm hatten noch nichts mit Erdbeeren zu tun
Insgesamt erschienen die einzelnen Felder unendlich

Als das fertig war, gesellten wir uns zu den anderen beiden auf einem wieder anderen Teil der Farm und hatten nun die Aufgabe, alles an Unkraut zwischen den Reihen voller wachsender Erdbeerpflanzen auszusprühen. Hierfür bekamen wir eine blaue Chemikalie in einem riesigen Tank, dessen Mixtur aufgrund mehrerer Teile rund eine Viertelstunde dauerte. Die Chemikalie hatten wir mithilfe von Rucksäcken auf dem Rücken, die es in großer und kleiner Ausführung mit einem Fassungsvolumen von 20 bzw. 12 Litern gab. Der kleinere hatte auch eine elektrische Pumpe und gedämpftere Schultergurte, während der blaue und große eher klobig war und nur eine manuelle Pumpe aufweiste. Dennoch mochte ich den blauen lieber, da wir möglichst nah am Boden sprühen sollten und das Rohr hier lang genug war, dass ich dennoch aufrecht laufen konnte. Bei dem kleineren musste ich mich für jedes Sprühen leicht bücken, was auf Dauer auf den Rücken ging. Insgesamt war die Tätigkeit jetzt nicht anstrengend, man spürte sie am Ende des Tages primär an den Schulterschmerzen von dem Rucksack und den teilweise bis zu 20.000 Schritten, die wir jeweils pro Tag abliefen.

Am zweiten Tag kamen ein paar weitere Leute aus dem Hostel dazu, mit denen wir auf einem anderen Feld zwischen den Pflanzen wachsendes Unkraut suchen und herausnehmen sollten, wofür wir eine kleine Art Spachtel hatten. Als es nicht mehr neblig war, durften wir vier uns weiter um das Sprühen kümmern, was wir die darauffolgenden Tage aber aufgrund zu starken Windes nur noch die erste Stunde am Tag machen sollten. Den Rest der Zeit gesellten wir uns zu den anderen (wir waren mittlerweile 10-11 Personen einschließlich einem Pärchen aus Japan, die nicht im Hostel übernachteten und die „Dank“ des Covid-Visa schon das vierte Jahr in Australien waren) und hatten die Aufgabe, ein vom Vorjahr bereits leicht zurückgeschnittenes Feld (patch 9) weiter zurückzuschneiden: In jedem Loch sollten nur zwei bis drei Pflanzen übrig bleiben, die jedoch stark gekürzt sein sollten. Wir hatten dafür auch einen gelben Wagen, um nicht auf der Plastikplane zu sitzen, wobei mir nach den ersten Stunden ohne Pause so sehr der Rücken eingefroren war, dass ich kaum aufstehen konnte. Ab da wechselte ich deutlich häufiger die Position, was mir insgesamt gut tat und mit der Zeit nur zu Muskelkatern in den Oberarmen und Oberschenkeln führte – juhuu, Fitnessstudio umsonst…

Mit dem größeren, blauen Rucksack ging es dem Unkraut zu Leibe
Hin und wieder sah man erste, verfrühte, Baby-Erdbeeren

Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Montag die Woche darauf sprühten wir aufgrund des Windes jeweils nur für eine bis anderthalb Stunden, ehe wir alle Reihen durchgegangen waren und bis zum Ende nur noch mit Zurückschneiden beschäftigt waren. Das kam mir insgesamt ganz entgegen, denn mein Körper war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz ans Arbeiten gewöhnt – und hatte glaube ich auf irgendeine Substanz aus dem Sprühgemisch eine allergische Reaktion entwickelt, die sich im Laufe der Tage durch Cetirizin, Nasenspray und Augentropfen allmählich besserte. Aber sie sorgte für eine geringere Energiebereitschaft körperlicherseits und neben einer abends teils erhöhten Temperatur von bis zu 38,0 Grad dafür, dass sich mein Schlafbedürfnis in der ersten Woche auf mitunter 10 Stunden pro Nacht hochgesteigert hatte. Da kamen wohl fehlender Schlaf aus dem ersten Hostel, die harte körperliche Arbeit und die Allergie zusammen.

Die einzige andere Tätigkeit außer dem Zurückschneiden war ein Tag, an dem wir auf dem leeren, ersten „Feld der großen Steine“ alles an Kleinstplastik und Müll aufsammeln sollten, was zum größten Teil Überreste der Planen der Pflanzenreihen des vorherigen Jahres waren. Der Chef stellte uns die Aufgabe mit dem Zusatz vor, dass sie wohl zwei Stunden in Anspruch nehmen würde, während wir nach dem ersten Gang über das Feld von zwei Tagen ausgingen. Insgesamt brauchten wir den ganzen Tag, wobei wir mit der Zeit auch unvollständiger aufsammelten – sonst wäre es eine wirklich nie endende Arbeit gewesen, denn im Laufe des Tages wurde der Wind immer stärker und wehte das ganze Plastik quer übers Feld. Teilweise ging ich hinter einer Supervisorin her, die hinter jemandem herging und ich bin mir sicher, hinter mir hätte noch eine vierte Person hergehen können und auch sie hätte nicht alles eingesammelt.

Trimmen der Reihen vom Vorjahr (vorher)
Trimmen der Reihen vom Vorjahr (nachher)

Das erste zurückzuschneidende Feld hatten wir am ersten Freitag fertig und zogen auf ein zweites Feld um, welches noch größer war (patch 10) und uns einige Zeit beschäftigen sollte. Insgesamt kommt so ein Feld auf in etwa 150 bis 250 Reihen und wir arbeiteten mit einer Geschwindigkeit von 1-2 Reihen pro Tag und Person. Ich war dabei nicht der Schnellste, aber auch nicht der Langsamste – in der Summe machte ich meine Arbeit sehr gewissenhaft, was eben nun mal ein wenig Zeit in Anspruch nahm. Durch die Monotonie und die Endlosigkeit des Feldes und der Arbeit (egal ob ich mich nebenbei im Ohr von Jan Böhmermann und Olli Schulz belabern ließ oder zur Karnevals-Playlist mitsang) wurde meine Motivation mit der Zeit auch ein wenig geringer, wobei ich es an jeder Stelle des Tages wertzuschätzen wusste, dass wir in einem Team die Arbeit erledigten und nicht alleine/zu zweit, wie auf der ersten Farm.

Ein unerwartetes Ende

In der dritten Woche war der Dienstag ein sehr wechselhafter Tag und sorgte für einige kurze Regenschauer, während der Chef am Mittwoch am Ende der Mittagspause zu uns kam und uns darüber informierte, dass wir noch die offenen Reihen fertig machen sollten und unser Job damit erledigt wäre. Für Donnerstag und Freitag war zwar sehr schlechtes Wetter angesagt, dennoch waren von dem Feld locker noch 35 Reihen übrig, die wir dann nicht mehr zurückschneiden sollten, was für mich die Sinnhaftigkeit der ganzen Aufgabe in Frage stellte. Aber der Mittwoch war schon von Anfang an irgendwie komisch, denn während die Supervisor die Tage zuvor vor uns durch die Reihen gegangen sind und diese von Unkraut befreit hatten (was teilweise echt halbleere Reihen hinterließ, die ich glücklicherweise einige Male traf), waren sie an jenem Tag sehr schlecht darin, diese Tätigkeit schauspielerisch darzustellen, während sie uns eigentlich beobachteten. Sie fingen mit der Zeit auch an, mehrere Personen in eine Reihe zu delegieren, was mich mit der Zeit ein wenig an Gefängnisaufseher in Filmen erinnerte und wodurch ich mich nicht sonderlich wohl fühlte.

Wir hatten an dem Tag erst vermutet, dass sie mit dem Delegieren die Geschwindigkeiten der Leute vergleichen wollten, um einigen dann mitzuteilen, dass sie nach dem Tag nicht wiederkommen müssten. Mit dem absoluten Ende hatte aber niemand gerechnet. Drum getrauert haben wir auch primär nur deshalb, weil es überhaupt Arbeit war und weil es Arbeit war, die zu den 88 Tagen für das zweite Visum zählte. Immerhin beendete ich an dem Mittwoch Tag Nummer 38/88 und durfte nun erst einmal im Hostel die Zeit totschlagen, ehe das Hochzählen weitergehen konnte. Insgesamt hat mir die Zeit auf der Farm aber gut gefallen, sodass ich froh war, eine Zeit später wieder zurück unter den Erdbeeren sein zu dürfen – dann aber mit neuen Aufgaben…

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