Prolog: Während der erste Blogeintrag zum Work & Travel in Australien mit dem Weg zum Flughafen Ende Februar beendet wurde, springe ich aus diversen persönlichen Gründen an dieser Stelle direkt in den April zur ersten Farmarbeits-Erfahrung. In der Zeit dazwischen sind wir – in Kurzfassung – am 1. März in Melbourne eingereist und haben zwei Wochen in einem Airbnb im Norden der Metropole verbracht, ein wenig die Stadt erkundet und sind mental und bürokratisch in Australien angekommen. Anschließend haben wir einen Housesit für drei Wochen auf Bribie Island – eine Stunde Autofahrt nördlich von Brisbane – gefunden, wo wir uns um den zuckersüßen fünf Jahre alten Labrador Ava und das Haus der Besitzer gekümmert haben (darauf gehe ich nochmal in einem separaten Blogeintrag ein). Mit dem dort vorhandenen Auto haben wir die Insel erkundet, waren für Tagesausflüge an der Sunshine Coast, in Brisbane und in den Glasshouse Mountains. Anschließend wollten wir die 88 Tage Farmarbeit für das zweite Visum in Angriff nehmen, da uns Australien bis hierher ganz gut gefallen hatte, sodass wir westlich von Byron Bay auf einer Pekannuss-Farm gelandet sind…
Willkommen im Nichts
Insgesamt gestaltete sich die Suche nach einem Job auf einer Farm unfassbar schwierig, doch durch irgendeinen Zufall – ich glaube auf Facebook – kam Franzi auf einen Farmer, der zwei engagierte und motivierte Hilfskräfte für die angehende Pekannuss-Ernte suchte. Geoff (man spricht den Namen eher Jeff aus) hatte bereits vorher einiges an Erfahrung im Farmwesen im Süden Australiens gesammelt und zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern ist die Familie kurz nach Beginn der Pandemie aus Victoria in den Norden von New South Wales gezogen, weil sich der Kauf der Nussfarm, zu der irgendwie auch noch eine Rinderfarm gehörte, ergeben hatte. Wirkliche Erntemöglichkeiten gab es seitdem jedoch nicht, da die Region um Lismore – rund 45 Kilometer westlich vom populären Strandörtchen Byron Bay – 2022 von sehr starken Überschwemmungen betroffen war.
So kam es, dass er im Jahr 2023 das erste Mal die Chance hatte, eine Ernte einzufahren und hierfür zwei motivierte Farmgehilfen suchte, die wir zu dem Zeitpunkt waren. So verbrachten wir nach dem Housesit auf Bribie Island noch zwei Nächte in Brisbane, ehe wir uns mit Byron Easybus auf den Weg nach Lismore machten, wo wir von Geoff abgeholt werden sollten – wir hatten ja weiterhin kein Auto.
Die Busfahrt war weitestgehend unspannend: Es gab einen kurzen Zwischenhalt am Gold Coast Airport und wir wechselten in Ewingsdale das Fahrzeug in einen kleinen Minibus, der uns mangels weiterer Fahrgäste als Privatshuttle an der zentralen Bushaltestelle in Lismore rausließ. Der Busfahrer ist uns in Erinnerung geblieben, da er gefühlt alles mit einem australischen Alrighty beendete und wir ihn lustigerweise drei Wochen später in Lismore nochmal trafen, nachdem wir die Farmarbeit beendet hatten.
Lismore selbst wirkte nicht wie das blühende Leben – eher im Gegenteil. Als wir durch die Straßen fuhren, rund eine halbe Stunde auf das Abgeholt werden warteten und uns im Falle des Falles schon Alternativpläne ausmalten, beobachteten wir die Umgebung und stellten neben einer eher älteren Bevölkerung auch den desolaten Zustand der meisten Läden und Häuser fest. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine Ahnung von den Überschwemmungen und dem Hintergrund, aber wir fühlten uns nicht nur wie bestellt und nicht abgeholt – wir fühlten uns einfach falsch. Oder fremd.
Das neue Zuhause
Irgendwann kam Geoff samt seiner Frau dann aber dennoch an der Bushaltestelle an, sammelte uns ein und wir fuhren zu deren Farm im zehn Minuten Autofahrt entfernten Vorörtchen von Lismore, Richmond Hill. Sie hatte mit der direkten Farmarbeit nichts am Hut und hatte darauf bestanden, uns in ihrem Auto abzuholen, da sie uns den Sauberkeitszustand seines Autos nicht direkt antun wollten, wie sie uns während der Fahrt erklärte. Auch wenn sie insgesamt beide nett waren, hatte sie deutlich schneller den Draht zu uns gefunden, was vermutlich auch an ihrem klareren Englisch und dem fehlenden neuseeländischen Dialekt lag.
Auf dem riesigen Grundstück angekommen bekamen wir eine kleine Führung durch deren Wohnbereich, welcher aus einem relativ modernen Haus mit riesiger Terrasse, großer offener Küche, Wohnzimmer und noch einigen Räumen bestand. Neben den beiden wohnten nämlich auch noch fast alle (oder alle?) der drei so gut wie volljährigen Kinder vor Ort samt einer kleinen süßen Katze.
Verließ man die Terrasse des Haupthauses über einen relativ steil abfallenden Grashügel in Richtung des eigentlichen Hofes, landete man in der niedlich als The Nut House beschrifteten Unterkunft für die Farmgehilfen. Im Gegensatz zum modernen Haupthaus handelte es sich hierbei um eine aus drei über eine Terrasse verbundenen Holzräumen, in denen sich Wohnzimmer und Küche, Badezimmer und Schlafzimmer befanden. Die Möbel waren eher spärlich, die Böden nicht gerade und alles wirkte genauso „verwahrlost“, wie es war: Dazu passte akurat die Beschreibung des Paares, dass die gesamte Unterkunft seit den Fluten nicht wirklich benutzt wurde. Vermutlich wurden zwar die Möbel getauscht oder in Stand gesetzt, aber ansonsten stand alles ein Jahr einfach nur herum.
So gestaltete sich die Unterkunft als beste Chance, um meine Arachnophobie in Angriff zu nehmen: Ich renne zwar nicht kreischend vor Spinnen weg, aber selbst bei den eher kleineren Varianten fühlte ich mich vor der Zeit in diesem Haus sehr unwohl, wenn ich mich mit ihnen in einem Raum befunden hatte. Da sich der erste Abend durch einen Abstecher zum Supermarkt und ein gemeinsames Abendessen zum Kennenlernen relativ lang zog, kamen wir erst am nächsten Tag nach der Arbeit dazu, in unserem neuen Zuhause einmal Klarschiff zu schaffen und die Spuren des einen Jahres zu beseitigen. Durch diesen Umstand durfte ich die erste Nacht mit dem Wissen verbringen, dass wir in allen Zimmern zusammen sicher noch fünfzig bis hundert achtbeinige Untermieter hatten.
In einen sauberen Zustand gebracht bot das ganze Haus aber im Grunde alles, was man so brauchte: Es gab ein Schlafzimmer mit zwei Betten, einem Kleiderschrank und später noch einer Kommode, die Geoff irgendwo in Lismore organisiert hatte. Darüber hinaus gab es Strom und Licht. Das Badezimmer bestand neben Strom und Licht aus einem Waschbecken mit Spiegel, einer Toilette (der wir im Laufe der Zeit ein Upgrade verpassten, indem wir einen Toilettenpapierhalter bei Bunnings kauften und anklebten), einer Dusche mit Handtuchhaltern und Vorhang, bei deren teilweise gebrochenen Fliesen man aufpassen musste sich nicht zu verletzen oder auszurutschen und bei der eine gründliche Dusche, wie sie nach der Arbeit nötig war, dazu führte, dass man damit das halbe Badezimmer flutete.
Der Wohnbereich hatte eine Küche mit allem wichtigen an Küchenutensilien, einem großen Kühlschrank mit Gefrierfach, einer bzw. zwei Mikrowellen, einem Gasherd, einem Mikrowellen-Grill-Ofen (der aber ewig brauchte), einem Wasserkocher (der kurz vor dem Fertigkochen immer die Sicherung rausschmiss), einem Toaster und ich meine auch noch einem Reiskocher. Von der Küche aus konnte man in das eigentliche Wohnzimmer schauen, welches mit zwei Gartenstühlen, einem sehr tiefen Tisch und einer Fernsehecke mit DVD-Player, einigen DVDs, Spielen und Büchern ausgestattet war. Außerdem gab es hier neben Strom, Licht und Gas einen kleinen Kamin, womit das Wohnzimmer auch der einzige Raum war, der beheizt werden konnte – was beim einsetzenden Winter vielleicht nicht das optimalste war.
Abgerundet wurde das ganze von einer großen Terrasse, an der wir immer gefrühstückt hatten, da man sich an dem dortigen Tisch immerhin vernünftig hinsetzen konnte. Von der Terrasse hatte man einen echt schönen Ausblick in die Felder und den eigentlichen Hof. Insgesamt, wenn man alles mal aufgeräumt hatte und über die Heizsituation hinwegsehen konnte (während unseres Aufenthaltes zwischen Mitte April und Anfang Mai wurden es nachts durchaus 2-5 Grad), war die Unterkunft halbwegs solide. Sie war weit weg von zivilisierten Unterkünften, in denen wir beide die letzten 28, beziehungsweise 25 Jahre bisher gelebt hatten, aber sie war solide.
Es gab jedoch eine Sache, die ich als Kirsche auf der Torte leider anstrengend fand: Es gab so gut wie kein Internet. Unser Haus war zu weit vom Haupthaus entfernt, als dass das WLAN dorthin reichen würde. Gleichzeitig lag es in einem Tal, sodass es auch keinen wirklichen mobilen Empfang gab (ich hatte mit Telstra und Vodafone zwei Netze ausprobiert). Wenn es Empfang gab, dann musste man das Smartphone an eine bestimmte Stelle legen, dort liegen lassen und durfte es bloß nicht bewegen. Insgesamt – wir hatten ja kein Auto, es gab in der direkten Umgebung keine anderen Häuser und abgesehen von uns arbeitete niemand anderes auf der Farm – führte das zu einer Form der Isolation, die mir rückblickend betrachtend definitiv nicht gut tat.
Die Arbeit auf dem Feld
Da Geoff mit uns das erste Mal den Nuss-Ernteprozess wirklich in Bewegung brachte, war alles was wir taten ein wenig herum experimentiert. Insgesamt gab es zwei Schauplätze, zum einen das Feld mit grob geschätzt 50 Reihen a 25 Bäumen (bei dieser Angabe kann ich mich aber vertun, dafür ist das ganze Stand März 2024 zu lange her) und zum anderen die Sortierhalle.
Dabei lief die Ernte grundsätzlich wie folgt ab: Sobald eine Baumreihe auf dem Feld als erntereif deklariert wurde, nutzte Geoff einen Baumschüttler, um die Nüsse von den Bäumen zu holen. Ich weiß nicht, ob das der passende deutsche Begriff für diese Maschine ist, aber im Endeffekt tat sie genau das, was der Name vermuten lässt: Das große Fahrzeug hatte zwei parallele Arme, die sich ausfahren ließen und mit denen er den Baumstamm „griff“. Anschließend lösten die Arme eine Schwingung aus, die dafür sorgte, dass sich der Baum mehrere Sekunden lang schüttelte, wie als hätte man einem Menschen einen Eimer eiskaltes Wasser übergekippt. Das Vibrieren der Maschine konnte man auch noch am Boden spüren, wenn man einige Dutzend Meter davon entfernt stand.
Mit der Übernahme der Farm hatte Geoff zwei „Baumschüttler“ unterschiedlicher Größen erworben, die beide von ihm wohl zu stark in Anspruch genommen wurden, weil er sie dauernd irgendwie reparieren musste. Das aus unserer Perspektive fehlende Feingefühl für das Schütteln der Bäume – wir durften die Maschinen nicht bedienen – sorgte zudem auch dafür, dass er damit nicht nur die Nüsse vom Baum holte, sondern teilweise auch die halbe Ast-Struktur des Baums an sich. Dies war jedoch ein Hindernis für die nächste Maschine, eine Art Kehrmaschine, die die Nüsse vom Boden aufsammelte. Denn während die Kehrmaschine eine Einrichtung hatte, die ein bisschen was an Abfällen in Form von Gras, Blättern und kleinen Ästen raussortieren konnte, konnte sie mit den riesengroßen Ästen nichts anfangen. Unsere Aufgabe bestand daher darin, jede geschüttelte Baumreihe abzugehen und alle größeren Äste aufzusammeln und zur Seite zu legen – eine gefühlt nie endende und super unnötige Handarbeit mit dem Wissen, dass die Menschheit bereits vor über 50 Jahren auf dem Mond gelandet ist.
Was die Kehrmaschine auch nicht konnte, war das Einsammeln der Nüsse in der Baumlinie, also zwischen den Baumstämmen. Hieraus ergab sich dann unsere zweite Aufgabe auf dem Feld, die daraus bestand, mit einem Laubgebläse alles, was in dieser Baumlinie heruntergekommen war, in die Fahrbahn der Kehrmaschine zu blasen.
Es gab hierbei einige wenige Stellen auf dem Feld, die nicht eben waren und auf denen die Kehrmaschine nicht fahren oder nicht alles einsammeln konnte. Hin und wieder durften wir mit einem „Handsammler“ über den grasigen Boden an diesen Stellen fahren und die liegen gebliebenen Nüsse einsammeln. Das war manchmal so effektiv – da das Gerät die Nüsse auch hin und wieder verlor – dass es manchmal schneller ging, sich einfach hinzuknien und die Nüsse wirklich von Hand einzusammeln.
Die Arbeit in der Sortierhalle
Die von der Kehrmaschine eingesammelte Menge an Nüssen, Ästen und Steinen landete in einem Traktoranhänger, mit dem die Geschichte der Nüsse dann in der Sortierhalle direkt vor unserem Nut House weiterging. Nachdem wir den ersten Tag mit dem Durchkehren der Halle und aller dazugehörigen Abstellplätze fertig waren, wartete auf die Nüsse nun die folgende Prozedur: Aus dem Anhänger gelangten die Nüsse in einen oder mehrere große weiße Plastikkisten. Hierfür ließ sich der Anhänger nach hinten kippen, wodurch dessen Inhalt – teilweise mit etwas Nachhilfe – in die Kisten fiel. Während eine Person mit einem Schieber den Anhängerinhalt nach und nach in die Kiste bewegte, sortierten die anderen beiden daneben stehenden Personen bereits die ersten großen und dicken Stöcke und Äste aus, die die Kehrmaschine nicht trennen konnte.
Anschließend ging der Inhalt der Kisten in einen großen Trichter, an den eine ganze Kette von lauten Maschinen und Förderbändern angeschlossen war. Jede der Maschinen hatte dabei die Aufgabe, mechanisch eine bestimmte Größe an Stöcken, Ästen und Steinen herauszusortieren, damit beim späteren Endsortieren idealerweise nur noch Nüsse auf dem Band lagen. Die Betonung liegt auf idealerweise, denn die Maschinen waren in etwa so zuverlässig wie der Baumschüttler oder die Kehrmaschine, sodass eine Menge zusätzlicher Handarbeit notwendig war: Zum einen schafften es die Geräte oft, sich zu blockieren (zur Blockade beliebt waren kleine Dicke Stöcke), zum anderen sortierten sie auch nicht alles aus, sodass sich beim Endsortieren auch noch einige Steine und Stöcke fanden.
Das Endsortieren war dann wieder unsere Aufgabe: Hier standen wir mehrere Stunden an einem Band, an dem wir neben den übriggebliebenen Stöcken und Steinen auch noch Nüsse in ihrer Fruchtschale aussortiert haben genauso wie beschädigte Nüsse – sei es, weil sie von einem Tier angeknabbert wurden, von innen feucht geworden waren oder noch nicht reif waren. Hierfür wurden wir mit einer Macht-mal-Einstellung eingearbeitet, bei der Geoff dabei stand, hin und wieder aus unserer Perspektive gute Nüsse heraussortierte und uns das Problem an jenen erklärte. Wenn man so mehrere Stunden am Stück an diesem Band stand und den Fokus auf die Nüsse legte, passierte es manchmal, dass man in einer Art Trance landete – und das Gefühl hatte, nicht das Band würde sich bewegen, sondern alles andere drum herum.
Die fertig sortierten Nüsse kamen dann meist wieder in eine der weißen Plastikkisten und in einen Container, in dem sie weiter getrocknet wurden. In manchen Fällen – wenn es nachts geregnet hatte – kamen sie in eines der neben der Sortierhalle gelegenen Silos zum Trocknen, ehe sie dann noch einmal durch die Bänder geleitet wurden. Bei den nassen Nüssen war es nämlich deutlich schwerer zu sehen, ob sie in Ordnung waren oder nicht. Danach gingen auch diese in den Container zum Trocknen.
Um die Lebensgeschichte einer Nuss noch zu Ende zu erzählen: Die getrockneten Nüsse wurden irgendwo nach Asien verschifft, wo der Nusskern von der Schale getrennt und die Nusskerne verpackt wieder in Australien oder woanders auf dieser Welt in den Supermarkt gelangten.
Der Arbeitsalltag
Nachdem wir, aber insbesondere Geoff, einen gewissen Workflow in dem ganzen Prozess herausgearbeitet hatten, ergab sich für uns der folgende Arbeitsalltag:
- Wir fingen gegen 7:30 Uhr morgens (was wir ein wenig ausgehandelt hatten, da uns das sonst zu früh wäre) mit dem Ausräumen der Ernte des Vortags aus dem Traktor-Anhänger an und standen anschließend in etwa bis zur Mittagspause gegen 13 Uhr am Band für das Endsortieren. Hierbei hatten wir Gehörschutz und Kopfhörer da: Ersteres war nötig, um nicht komplett zu ertauben. Letzteres war gegen die Langeweile.
- Anschließend folgte eine 30-45 Minuten lange Mittagspause, in der wir für gewöhnlich was kaltes aßen, da zum Kochen keine Zeit war und wir zum Vorkochen vorher nicht die Energie hatten.
- Danach ging es aufs Feld und nachdem wir irgendwann die Reihen gefunden hatten, die für heute auf dem Plan zum Schütteln standen (das hatte gefühlt überhaupt kein System), fingen wir da mit dem Laubblasen und Stöcke sammeln an.
- Das haben wir dann bis zum Einbruch der Dunkelheit gemacht, was in etwa zwischen 17:30 und 18:00 Uhr der Fall war.
- Wieder im Nut House angekommen mussten wir uns nun erstmal gründlich saubermachen, ehe es nach dem Abendessen fast schon Zeit fürs Bett war, da es am nächsten Morgen wieder genauso früh los ging.
- Das ganze wiederholte sich dann im Grunde jeden Tag sechs Tage die Woche.
Gerade in der ersten Woche, der Findungsphase des oben beschriebenen Prozesses, waren unsere Aufgaben noch deutlich variabler und weniger stark getaktet. Die zweite Woche war das Wetter so durchwachsen, dass wir da mehr freie Tage hatten und die Aufgabe bekamen, die – seit dem Einzug der Familie 2020 unberührten – Gemüsebeete von Unkraut zu befreien, während die dritte Woche in etwa jedoch genauso aussah, wie ich sie oben beschrieben habe.
Das Ende
Und wären wir noch die ganze, drei weitere Monate andauernde Saison über geblieben, dann hätte jede Woche genauso ausgesehen. Mit der einsetzenden Routine in der dritten Woche fanden wir beide die Arbeit mehr und mehr anstrengend und weniger vergnügend. Während ich das Nüsse am Band sortieren weniger schlimm fand – bis auf die Tatsache, dass das Herumstehen stark auf den Rücken und Nacken ging – habe ich das Stöcke und Äste sammeln einfach nur gehasst (ja, das ist ein starkes Wort) und konnte dem relativ schnell absolut nichts mehr abgewinnen. In Kombination mit meiner persönliche Unzufriedenheit, die aus der Gesamtsituation resultierte und in die neben diversen privaten Faktoren auch noch das Ende meines Traumjobs ein halbes Jahr zuvor einfloss, führte das dazu, dass meine Arbeitsmotivation und auch meine Ausstrahlung während der Arbeit genau das widerspiegelten. Etwas, was ich bei mir selbst noch nie vorher erlebt hatte, was aber selbst dem eher kalten Geoff aufgefallen war. Nur leider hat er mit seiner Unzufriedenheit mir gegenüber nicht mich konfrontiert, sondern das „hinter meinem Rücken“ mit Franzi besprochen, was ich leider überhaupt nicht cool fand.
All diese Faktoren führten am Ende dazu, dass wir am Dienstag exakt drei Wochen nach unserer Ankunft in Lismore beschlossen hatten, die Farm zu verlassen, was wir ihm am selben Morgen mitteilten und was dank des flexiblen Casual-Arbeitsverhältnisses (dazu in einem künftigen Blogeintrag mehr) kein Problem war. Wir arbeiteten an jenem Vormittag noch die zu sortierende Ernte vom Vortag ab, verließen dann mittels Taxi und Bus (wo die 10 Minuten Taxifahrt nach Lismore mehr kostete als der 50 Minuten Bus nach Byron Bay) die Farm und waren im Surf House in Byron Bay wieder zurück in der Welt: Zivilisation, saubere Zimmer, moderne Einrichtung, mobiles Internet, eine vernünftige Küche und ein Strand so ziemlich vor der Haustür waren so ziemlich der perfekte Ort, um sich von diesen drei Wochen zu erholen und zu schauen, wie es nun weitergehen sollte…
Ein Rückblick ein Jahr später…
Wie bereits angerissen, waren diese erste Farm-Erfahrung und insbesondere der zweite Teil der drei Wochen im Moment des Stattfindens für mich so ziemlich die Hölle auf Erden. Ich weiß gar nicht, wann oder ob mich vorher im Leben meine persönliche Gesamtsituation so unglücklich gemacht hatte, wie in dieser Zeit. Ein Jahr später, wo ich diesen Blogeintrag schreibe, danach noch auf anderen Farmen gearbeitet habe und vor allem meinen Kopf etwas aufgeräumt habe, sehe ich das ganze etwas differenzierter. Dem Stöcke sammeln kann ich auch weiterhin überhaupt nichts abgewinnen, aber wenn man das (und eben meinen Kopf) einmal ausblendet, dann fand ich die Arbeit irgendwie genauso spannend, wie die Erdbeerfarm, um die es in den nächsten Blogeinträgen gehen wird.
Denn neben dem Nüsse sortieren und Stöcke sammeln durften wir ganz viel mit Geräten machen, die wir sonst nie wirklich benutzt hätten: Sei es der Laubbläser, das Fahren mit einem Quad, das Bewegen und Rangieren des Traktors mit Anhänger zwischen Feld und Sortierhalle oder die Nutzung des Gabelstaplers zum Bewegen der weißen Plastikkisten in der Sortierhalle. In all diesen technischen Dingen musste ich meine Neugierde und schnelle Lernfähigkeit ein wenig mit Stefan Raab vergleichen, der damals bei Schlag den Raab immer direkt eins mit Fahrzeugen aller Art geworden war.
Zusätzlich hatten wir eine mit 100 Dollar pro Person und Woche günstige Unterkunft nur für uns, die zwar nicht modernen Ansprüchen entsprach, aber abgesehen von der Verbindung zur Zivilisation – sei es digital oder physisch – alles hatte, was man zum Leben für einen begrenzten Zeitraum bräuchte. Und da wir spätestens bei der Ernte-Routine der dritten Woche auf über 40 Stunden pro Woche kamen, konnten wir so allein in dem kurzen Zeitraum einiges ansparen, da wir mangels Auto – und mangels Zeit – sonst nicht wirklich etwas unternehmen konnten.
Auch Geoff, seine Frau und deren Kinder waren, wenn es nur möglich war, stets hilfsbereit: Neben dem einladenden gemeinsamen ersten Abendessen, der Bereitstellung aller wichtigen Utensilien in dem Haus (wie Gewürzen, Kaffee/Tee, Toilettenpapier, etc) konnten wir mit ihnen immer zum Einkaufen fahren, wenn es für uns notwendig war. Sie hatten uns auf einen Trivia-Abend in eine naheliegende Bar mitgenommen und leihten uns für einen Tag ihr Auto, als mein auf Bribie Island kaputt gegangener Laptop wieder repariert in Brisbane zur Abholung wartete, was uns einen Tag „Auslauf“ in jener Metropole und an der Gold Coast ermöglichte. Auch war sie (ich weiß ihren Namen leider nicht mehr) stets vermittelnd, wenn wir und er eine etwas andere Position zur zu verrichtenden Arbeit hatten. Das ging eines Tages sogar soweit, dass sie mit aufs Feld kam und versuchte, die Aufgabe des Baumlinie frei blasens mit dem Laubbläser auszuführen – was wir leicht amüsiert aus der Entfernung beobachteten…
Rückblickend wünsche ich mir manchmal, dass ich diese Zeit auf der Farm mit einem leereren Kopf bestritten hätte, denn dann wäre die ganze nachfolgende Geschichte vermutlich irgendwie anders weitergegangen. Aber meist weiß man so etwas erst im Nachhinein…