Work & Travel Australien: Runde zwei auf der Erdbeerfarm

Nachdem wir nach nur zwei Schichten vom Netze fädeln gefeuert wurden, dauerte es – mittlerweile Ende August – dieses Mal lediglich ein paar wenige Tage, ehe ich wieder einen Job hatte und weiter Tage für das zweite Working Holiday-Visum sammeln konnte. Denn die Ruhepause auf der Erdbeerfarm war vorbei und es gab wieder was zu tun. Konkret sogar eine ganze Menge, denn durch das anhaltend warme Wetter waren die ersten Früchte schon früher reif als geplant und mussten geerntet werden. Dabei wurde die Ernte nicht weiterverarbeitet, sondern landete im Müll, auf einer befreundeten Farm, bei der sie an die Schweine verfüttert wurde oder im Hostel.

Es ist Erntezeit

Für die Ernte kamen wieder die gelben Wagen zum Einsatz, mit denen wir bei der ersten Arbeitsphase das Unkraut entfernt hatten und dessen Aufbau nun deutlich mehr Sinn machte: Auf beiden Seiten der Sitzfläche gab es ein schräg angeordnetes Metall-Rechteck, in welchem jeweils die grünen Laden platziert wurden, in die die Erdbeeren kamen. Jede Lade, die wir im Englischen als tray bezeichneten, hatte zudem einen Barcode, welcher aber erst später zum Einsatz kam, als wir anstatt pro Stunde nach piece rate bezahlt wurden: Für einen an jedem Tag anderen Kilopreis konnte man mit flinken Händen und Beinen durch eine entsprechend hohe gesammelte Menge an Erdbeeren den Mindestlohn-Stundensatz von $28,26 übertreffen, wobei sich der Kilogramm-Preis bei circa 70 bis 80 Cent bewegte und für mich nicht erreichbar war – nur an einem Tag relativ am Anfang kam ich auf einen Stundensatz von $26,28, ansonsten lag ich mit $15-$20 ein ganzes Stück darunter. Das war am Ende gar nicht so schlimm, denn dank einer Gesetzesänderung ist es seit Ende April 2022 verpflichtend, dass man auch dann den Mindestlohn erhält, wenn man nach piece rate eigentlich darunter wäre.

Die ersten gepflückten Erdbeeren

Die ersten gepflückten Erdbeeren

Während wir am Anfang fast nur Backpacker waren, bei denen ich tempomäßig durchaus halbwegs mithalten konnte, hatte ich genauso wie alle anderen Backpacker gegen die Islander keine Chance. Mit diesem Begriff wurden die Pacific Islander zusammengefasst, die aus den Inselstaaten zwischen Asien und Australien kamen, jedes Jahr auf den Farmen arbeiteten und teilweise auch lebten. Durch diese häufige Regelmäßigkeit, aber auch weitere für uns alle nicht erschließbare Gründe, hatten diese Personen ein unfassbares Tempo drauf: Eines Tages saßen wir zur Mittagspause bei der Scheune und schauten den Pflückern bei der Arbeit zu, als sie ein neues Feld anfingen. Während die Backpacker noch in der Mitte ihrer ersten Reihe waren, fingen die Islander gerade ihre dritte Reihe an. So schade ich es fand, wunderte es mich am Ende dann nicht, dass bis auf einen allen Backpacker-Pflückern nur wenige Tage später gekündigt wurde.

Pflücken und Packen

Aber ich gehörte an jenem Tag nicht zu den Personen auf dem Feld und damit auch nicht zu denen, die am nächsten Morgen nicht mehr wiederkommen brauchten. Denn bereits nach wenigen Schichten auf dem Feld wurden einige von uns in die Packhalle auserwählt. Die Wahl erfolgte an jenem Tag von Andrew, dem Supervisor auf dem Feld, mit dem ich schon von Anfang an ein wenig zu tun hatte und dessen Humor manchmal etwas besonders war. So hatte er irgendwann während meiner Tätigkeiten in der Packhalle die Freude daran, sich den Adress-Stempel der Farm zu schnappen, mir einen Stempel auf meinen Nacken zu setzen und mich ganz offiziell zur Property of Ashbern Farms zu erklären. Im weiteren Verlauf zog er mich damit noch einmal auf, indem er mir lediglich mit dem Finger auf den Nacken tippte, aber in mir natürlich einen Schreck-Moment auslöste. Kurz vor Ende meiner Zeit auf der Farm überraschte ich ihn auf die selbe Art und Weise, was er mit einem humorvollen touché erwiderte.

Dieser gelbe Wagen (mit meistens nicht gerade laufenden Rädern) wurde zum Pflücken benutzt...
...rechts und links auf dem Wagen waren die grünen Laden, in die die Erdbeeren kamen

Bis heute bin ich mir sicher, dass Andrews Wahl für die Packhalle auf einer Mischung aus Zufall, Sympathie und Glück beruhte. Am Anfang war ich darüber auch nicht ganz glücklich, denn ich mochte die Arbeit auf dem Feld deutlich lieber, da sie körperlich anstrengender war. Dies war insbesondere beim Packen nicht der Fall: Hierfür waren in der Halle zwei Bänder aufgebaut, auf denen eine Person die grünen Laden platzierte. Um diese Bänder herum waren einige Tische, an denen die anderen Packer und ich standen. Die Aufgabe bestand daraus, sich jeweils eine grüne Lade auf den eigenen Tisch zu nehmen, der um eine Waage und eine kleine Plastikschale für Abfall vervollständigt wurde. Nachfolgend sollten wir Plastikschälchen mit Erdbeeren zu füllen, wobei diese einige Kriterien erfüllen mussten:

  • Das Gesamtgewicht der geschlossenen Schale sollte bei zwischen 280 und 290 Gramm liegen.
  • Die Erdbeeren mussten in der Schale „stehen“, die Spitze musste also nach oben zeigen.
  • In jeder Schale durften zwischen 6 und 15 Erdbeeren sein (später bis zu 18).
  • Die Erdbeeren mussten gut aussehen. Sie durften nicht verschlimmelt, unreif, angebissen sein, unschöne Stellen haben oder ganz oder teilweise abgerissene Blätter besitzen.
  • Alle Erdbeeren in einer Schale mussten eine ähnliche Größe haben.

Mit diesen Vorgaben, die uns am Anfang mit an die Hand gegeben wurden, entwickelte sich das ganze zu einem Puzzle, welches ich mit mal mehr und mal weniger Freude bestritt. An sich störte mich die Arbeit nicht, lediglich beim Herumstehen fehlte mir die körperliche Betätigung, die sich mit Rückenschmerzen (aber nur an der linken Seite) bemerkbar machte. Ansonsten stieg und fiel die Motivation mit der Tagesstimmung und mit der Musik in der Packhalle, die über eine Anlage am hinteren Ende abgespielt wurde und der gelegentlich ein gewisses Tempo fehlte. Denn es war immer zufällig, wer den DJ spielen durfte und während manche sich für die 100 greatest party hits-Playlist auf Spotify entschieden, waren es bei anderen auch wieder ruhigere Stücke.

Im Laufe der Zeit war auch ich gelegentlich für die Musikauswahl verantwortlich und nachdem ich mich am Anfang den Partyhits-Playlisten angeschlossen hatte, gestaltete ich irgendwann meine eigene: Diese beinhaltete so ziemlich nur Lieder mit einem schnellen Rhythmus, allerdings waren neben den üblichen Partyhits der anderen Listen auch exotischere Sachen dabei. So trällerten irgendwann europäische „Legenden“ wie Dragostea Din Tei, Looking For Freedom, Burger Dance oder Daylight in your Eyes aus den Boxen heraus, die um manch mehr oder minder bekanntes deutschsprachiges (unter anderem waren da vertreten: Die Höhner mit Viva Colonia, Jürgen Drews mit Ein Bett im Kornfeld, Nena mit 99 Luftballons, Jürgen Fastje mit Eine Insel mit zwei Bergen, Jan Böhmermann mit Ischgl-Fieber, Helene Fischer mit Verlieb Dich Nie Nach Mitternacht, Lina Larissa Strahl mit Up up up (Nobody’s Perfect)) und polnisches (u.a. Szalona, Mniej niż zero, Ona Tańczy Dla Mnie, Zawsze Z Tobą Chciał Bym Być) ergänzt wurde. Auf diese Idee kam ich erst, als ich irgendwann aus dem Kühlraum kam und in der Packhalle auf einmal Bruttosozialprodukt lief, welches auf einer von jemand anderem abgespielten Party-Playlist war.

Eine wieder unerreichbare piece rate

Ging es am Anfang einfach darum, überhaupt in einen gewissen Arbeitsfluss zu kommen und eine vernünftige Qualität der verpackten Erdbeeren nach den oben genannten Kriterien zu erreichen, haben wir auch in der Packhalle irgendwann das Arbeiten nach piece rate eingeführt. Dazu musste sich jeder die Plastikschälchen in Stapeln von 105-110 Stück aus Kartons holen, einscannen und mit einem Farbcode versehen. Hierfür hatte jeder auf einer oder mehreren Seiten oder Ecken einen Farbklecks mit unterschiedlich farbigen Eddings zu setzen, was manchmal Spuren auf meiner Brille hinterließ. Das Markieren ermöglichte außerdem der Qualitätskontrolle, fehlerhafte Schälchen ihrem Packer zuzuordnen. Denn die Packer legten ihren fertigen Schälchen auf ein Transportband unter dem Band mit den grünen Laden, welches sie nach vorne zu Janet und Dorann brachte. Die beiden festen Mitarbeiterinnen sprengten zum einen ein wenig den Altersdurchschnitt, gehörten zum anderen aber wohl auch zum Inventar der Farm und waren schon beim Unkraut entfernen auf dem irgendwann berüchtigten nie endenden Feld patch 10 mit dabei.

Fertig gestapelte Schälchen in Kartons auf einer Palette
Hin und wieder fanden sich in den Laden auch seeeehr große Erdbeeren...

Die piece rate fürs Packen war auch wieder jeden Tag leicht unterschiedlich, lag aber im Schnitt bei 35-40 Cent pro Schale. Bei einem 7,5 Stunden Arbeitstag kam ich in etwa auf 350 Schalen, woraus man sich leicht ausrechnen kann, dass ich hier nie in Höhe der $28,26 kam. Ich habe zwar für den Blog nicht alle Abrechnungen durchgeschaut, aber ich kann mich an keinen Wert über $17 pro Stunde erinnern. Im besten Falle bekam ich teilweise bis zu 80 Schalen in einer Stunde hin (etwa 120-140 Schalen wären nötig gewesen, um den Mindestsatz überhaupt erst zu erreichen), allerdings war ich nicht in der Lage, dieses Tempo über mehr als eine Stunde zu halten. Und angespornt wurde ich zu dieser Stunde Akkordarbeit in der Regel von Claudia, die ebenfalls aus dem Hostel den Tisch vor mir hatte und mehr Ehrgeiz darin hatte, zumindest einmal über den Mindestsatz zu kommen, was ihr tatsächlich auch gelang.

Vom Feld auf die Palette

Mir aber nicht, was nach zwei Wochen – und einen Tag nach meinem Geburtstag – wohl auch dafür sorgte, dass mir von Richard, dem Chef der Farm, eine andere Aufgabe übertragen wurde – die der Erdbeer-Galley-Maus. Ich habe diese Rolle deshalb so getauft, weil sie mich sehr an die Position 4L meiner Zeit als Flugbegleiter auf der Langstrecke erinnerte: Die 4L war die Galley-Maus und dafür zuständig, dass in der hinteren Galley (also Bordküche) Ordnung herrschte und alle Trolleys, Boxen und sonstigen Sachen zum Service entsprechend vorbereitet waren. Neben einer Orientierung in mehr als je 30 Trolleys und Boxen gehörte dazu auch die Priorisierung von Aufgaben und das Nicht-Verlieren des Überblicks im engen Chaos einer fliegenden Röhre mit bis zu 310 Gästen.

Als Erdbeer-Galley-Maus war ich zwar mehr am Boden unterwegs, dennoch war das Chaos in meinen Aufgaben ähnlich: Als erstes bestand meine Aufgabe darin, die Laden der durchnummerierten Paletten mit gepflückten Erdbeeren aus dem Kühlraum in die Packhalle zu bringen und aufs Band zu legen, sofern dieses mit der Zeit leerer wurde. Je nach Zeit sollte ich dann noch die aussortierten Erdbeeren und die leeren Laden sammeln, auf den irgendwann leer gewordenen Paletten in acht Stapeln a 17 Laden anordnen und diese zum Weg zurück aufs Feld vorbereiten.

Die beiden Bänder, an denen die Packer standen - oben kamen die grünen Laden drauf und unten die fertigen Schälchen auf ein Fließband nach vorne
Im hinteren Bereich wurden die leeren Laden gestapelt

Auf der „anderen Seite“ des Bandes wurden die fertig gepackten Schalen an einem Drehtisch in Kartons nach ihrer Größe sortiert (Schalen mit 6-8, 9-12, 13-15 und 16-18 Erdbeeren, wobei mit der Zeit 9-12 und 13-15 zusammengefasst wurden). Meine Aufgabe bestand hier dann daraus, die mit 18 Schalen gefüllten Kartons auf Paletten zu stapeln, wobei auf einer Palette sechs Stapel Platz hatten und jede Größe ihren eigenen Stapel haben sollte. Anschließend bekam jeder Karton zwei bis drei Stempel mit Adresse und Pack-Datum und sobald die Palette voll war, wurde sie mit einem Pappdeckel versehen, mit Klebeband umwickelt und mit einem Empfänger-Aufkleber versehen.

Das ganze wurde mit der Zeit komplexer, als eine zweite Verpackung dazu kam, bei der andere Kartons zum Einsatz kamen, wo andere Stempel drauf kamen und wo die Anordnung und Auswahl der Stempel abhängig vom Empfänger variierte. Auch war die Höhe der Paletten unterschiedlich: War die Bestrebung am Anfang insbesondere Paletten mit einer Höhe von 18 Kartons (bzw. 22 Kartons bei Seconds, dazu gleich mehr) zu bilden, die mit einer Höhe von rund zwei Metern insbesondere bei den letzten Kartons sehr anstrengend zu stapeln waren, gingen wir mit der Zeit glücklicherweise mehr zu einer Höhe von 9 (bzw. 11) Kartons über und überließen das Zusammenbauen zu 18 dem Gabelstapler und dem Trucker, der zweimal am Tag vorbei kam und die Paletten abholte. Das Stapeln auf eine Höhe über meiner Brust war deswegen anstrengend, weil die Paletten an sich meist im Kühlraum standen und ich die fertigen Kartons mit einem Rollwagen in den Kühlraum brachte, wo ich sie dann auf den Paletten platzierte. Hierbei konnte ich an sich bis zu drei Kartons, also 15 kg, auf einmal heben (für mehr waren meine Arme zu kurz). Allerdings reichte auch mein mit der Zeit durchaus wachsender Bizeps nicht aus, um auch über mich drei Kartons zu heben, sondern ich konnte hier nur mit zwei oder einem arbeiten, was das ganze aber viel zeitintensiver machte.

Beim Wechsel zu der zweiten Verpackung variierte die Höhe der Paletten dann wiederum komplett, sodass ich hier sicher von drei bis fünfzehn Kartons alles mögliche zusammengebaut habe. Um die jeweilige Höhe immer im Überblick zu haben, gab es an einer Wand ein Whiteboard, auf dem Janet immer in Absprache mit irgendwem am Telefon die Anzahl der Bestellungen und die Höhe der Paletten festhielt.

Neben den 280-290 Gramm-Schalen gab es auch noch die so genannten Seconds: Dabei handelte es sich um 550-570 Gramm schwere Schalen (von denen beim Palettieren nur acht in einen in der Höhe etwas kleineren Karton passten), in die alle Erdbeeren reinkamen, die aufgrund kleinerer Mängel nicht den Weg in die kleineren Qualitätsschalen schafften, aber dennoch gut zum Verzehr waren. Diese Schalen hatten eine eigene piece rate und ich fand sie meist deshalb nervig, weil sie neben dem zusätzlichen Zeitfaktor die Menge der übrigbleibenden Erdbeeren ziemlich verringerten und ich gerne mal ein oder zwei Laden mit Erdbeeren ins Hostel mitnahm. Aber natürlich sorgten die Seconds dafür, dass weniger weggeworfen wurde.

Mehr Erdbeeren und eine ziemlich dumme Maschine

Insgesamt hatte ich all diese Aufgaben von Jonas übernommen, der das alles – einschließlich dem Sortieren der Schalen in die Kartons – vor mir gemacht hatte, aber irgendwann seine 88 Tage fertig hatte und sich einige Wochen auf Bali erholte. Für das Sortieren der Schalen war nur zwei Tage, nachdem ich die Tätigkeiten übernommen hatte, Karolina zuständig, die so auch vom Packen abgebracht wurde. Mit Karolina verstand ich mich insbesondere deshalb gut, weil sie aus Polen kam und wir uns so auf polnisch unterhalten konnten, was an manchen Tagen dazu führte, dass ich zwischen deutsch, englisch, polnisch und spanisch hin und her wechselte, als würde ich mehrere Sachen parallel kochen. Wir machten uns auch den Spaß, andere – polnische – Namen für die anderen Mitarbeiter zu benutzen, sodass diese nicht verstanden, wenn wir über sie redeten. So unterhielten wir uns dann auf einmal über Jolanta, Dorota, Małgorzata, Robert, Andrzej, Jurek und Tadeusz.

Rückblickend war es dabei aus meiner Position spannend zu beobachten, wie die Saison anlief und es immer mehr und mehr Erdbeeren wurden und auch von welchem patch wie viele und wie gute daherkamen. War ich am Anfang noch in der Lage, Karolina regelmäßig beim Sortieren zu helfen, die leeren Laden zu sammeln, die fertigen Kartons entspannt im Kühlraum zu stapeln, änderte sich das über wenige Wochen schlagartig. So kam es, dass irgendwann andere Personen das Auflegen der Laden aufs Band, die leeren Laden und den Müll übernahmen, während ich mich primär um das Fertigstellen der Paletten (also Stapeln, Stempeln, Deckeln, Kleben und Adressieren) kümmerte und wenn möglich Karolina vor einem Erdbeer-Eisberg bewahrte. Irgendwann wurden es dann so viele Erdbeeren und mehr Packer, dass sich eine Maschine darum kümmerte, die Schalen in einer Box zu platzieren. Es wurde dann eine „Trennstelle“ eingerichtet, an der eine Person die Schalen je nach Größe an den Drehtisch oder in die Maschine schickte.

In der Theorie musste man der Maschine lediglich leere Kartons einlegen, die fertigen Schalen auf ein Band schieben und sie war alleine in der Lage, die Schalen in die Kartons zu stapeln, wobei sie immer drei Schalen mit einem überlangen Greifarm hochhob, auf die nächsten drei Schalen wartete und alle sechs im Anschluss in den Karton bewegte. Anschließend wurde der Karton ein Stück vorgeschoben und das ganze Spiel begann von vorne, bis 18 Schalen den Karton füllten, welcher dann hochgehoben wurde und es mit einem neuen Karton von vorne losging. Je nach Einstellung stapelte die Maschine mehrere Kartons aufeinander, ehe sie diese auf ein Rollenband ähnlich dem Walzwerk aus Takeshi’s Castle ausspuckte und ich sie auf einem Rollwagen oder gleich einer Palette platzierte.

In der Praxis war diese Maschine wie ein kleines Kind, welches dauernd Aufmerksamkeit brauchte. Sei es, weil sie nicht in der Lage war, sich einen neuen Karton zu holen. Sei es, weil sie bei den Schalen nicht bis drei zählen konnte. Sei es, weil sie nicht ganz richtig geschlossene Schalen nicht vernünftig greifen konnte, diese dabei aufgingen und alles blockierten. Oder – und das tat sie am liebsten – weil sie den Karton beim letzten Vorschieben ein Stück zu weit nach vorne bewegte und der Greifarm dann an der Seitenwand des Kartons aufhörte, seine Arbeit zu verrichten. Dieser Greifarm hatte nämlich eine Kollisionserkennung, allerdings war diese so verspätet, dass der Arm einmal fast Erdbeeren auf meinem Arm eingequetscht hätte, als ich versuchte, einen sich wieder verklemmten Karton in seine richtige Position zu bewegen, damit die Maschine mit dem Füllen anfangen konnte.

Die Maschine sollte die Stapelarbeit der fertigen Schälchen erleichtern, das tat sie zumindest teilweise...
Mein letztes Mal in der Kühlhalle, hier herrschten Temperaturen zwischen 0-5 Grad bei teilweise 35 Grad Außentemperatur

So hatte ich irgendwann keine Zeit mehr, Karolina am Sortiertisch zu helfen und kam auch mit dem Fertigstellen der Paletten nicht hinterher, weil ich mich dauernd um das kleine Kind kümmern musste. Das beste dabei war, dass ich mir diese Maschine am Anfang als ein Gerät vorgestellt hatte, welches selbständig die Anzahl der Erdbeeren in einer Schale erkennen und diese in einen von mehreren Kartons platzieren kann. Dahingehend war ich von der Maschine ziemlich enttäuscht.

Irgendwann wurde das kleine Kind dann aber zur Chefsache erklärt und ich konnte mich wieder meinen eigentlichen Aufgaben zuwenden, was mit immer mehr Packern, der Eröffnung eines zweiten Bandes und dem Hinzufügen einer zweiten Maschine (was ist der beste Lösungsversuch, wenn man ein Auto kauft und es macht nur Probleme? Richtig! Man kauft sich das gleiche Modell nochmal und stellt es daneben 😀 ) auch nötig war. Erwähnenswert finde ich hierbei, dass wir die ersten vier Wochen der Zeit in der Packhalle auch immer noch beim Pflücken mitgeholfen haben und so um 6 Uhr auf der Farm antanzen durften, zwei Stunden gepflückt haben und dann teilweise bis neun Stunden in der Packhalle verbrachten. Dies verschaffte uns einige 11 bis 13 Stunden-Tage (wobei die Pausen nie bezahlt wurden) und sorgte erst Anfang Oktober nach einem weiteren 11 Stunden-Tag dafür, dass man Erbarmen mit uns hatte und wir erst um 9 Uhr zum Packen erscheinen mussten – der Zeit, zu der auch die „Profi-Packer“ kamen, die in der Lage waren, den piece rate-Wert zu erreichen, indem sie teilweise so viele Schalen in einer Stunde fertigstellten, wie ich vorher an einem ganzen Tag.

So kamen wir auf einige Wochen mit einer Gesamtarbeitszeit von über 50 Stunden in sechs Tagen und einem payslip von bis zu $1.200 netto. Ab der zweiten Oktober-Hälfte, als das zweite Band „eröffnet“ wurde und es irgendwann zu viele Packer oder zu wenige Erdbeeren waren, sank die Wochenstundenzahl wieder auf etwa 30 (weiterhin an sechs Tagen), wobei mir das für das Erreichen der 88 Tage für das zweite Working Holiday-Visum irgendwann egal war…

Der 23. Oktober

Denn es kam der 23. Oktober. Und ich hebe den 23. Oktober deshalb als so besonderen Tag hervor, weil es der Tag Nummer 88 war und ich mit dem Tag Nummer 88 alle notwendigen 88 Tage an Farmarbeit zusammengesammelt hatte, um das zweite Working Holiday-Visum beantragen zu dürfen. Als ich an jenem Montag die letzte Palette im Kühlraum fertig zum Versenden gemacht hatte, musste ich einen Moment innehalten, grinsen und innerlich ein wenig jubeln. So ganz kam das Erreichen dieses Ziels aber noch nicht wirklich bei mir an, was vielleicht auch daran liegen mag, dass es in diesem Moment nichts greifbares ist.

Zur Feier der 88 Tage gab es ein Macca's-Eis zum Anstoßen...

Zur Feier der 88 Tage gab es ein Macca's-Eis zum Anstoßen...

An diesem Datum wurde ich auch ein wenig in meinen Erinnerungen zurückkatapultiert an einen der letzten Tage auf der Nussfarm, wo ich auf der Toilette sitzend so genervt von der Farmarbeit (und in diesem Moment auch allem anderen) war, dass ich mich innerlich schon damit abgefunden hatte, kein zweites Jahr in Australien bleiben zu dürfen. Und dann – fünf Monate später – stand ich da und hatte es tatsächlich geschafft. Wenn ich einen Monat später diesen Blogeintrag schreibend darüber nachdenke, möchte ich diesen Erfolg noch möglichst lange als eine Errungenschaft festhalten und in Erinnerung rufen, wenn ich wieder vor einer oder mehreren Herausforderungen stehe und mich frage, wie ich das auf die Reihe bekommen kann. Auf das wie werde ich in einem anderen Blogeintrag noch genauer eingehen…

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