Work & Travel Australien: Meine erste Flugstunde

Bevor es auf die Erdbeerfarm ging, hatte ich mich während meiner „Orientierungs-Zeit“ in Coffs Harbour ein bisschen mehr dem Microsoft Flight Simulator gewidmet und zwischendurch ein echt hohes Vermissen danach, wieder den Boden unter den Füßen zu verlassen. Dieser Gedanke formte sich in der Zeit, die ich auf der Farm in Stanthorpe verbracht habe, so sehr, dass ich mich anfing über all die Umstände und Kosten einer Privatpilotenlizenz (PPL(A)) zu informieren. Ich hatte und habe zwar noch keinen Schimmer, ob ich hier eine berufliche Laufbahn in Richtung kommerzieller Lizenz einschlagen möchte oder ob das ein unfassbar teures Hobby bleiben wird. Aber mir war ziemlich eindeutig klar, dass mich das Thema Fliegerei weiterhin stark interessiert und auch fasziniert.

Bei meinen Recherchen kam ich zu dem Ergebnis, dass eine Privatpilotenlizenz in Australien umgerechnet mehr als 20.000 Euro kosten würde und der Preis dafür in Europa mit 10.000 – 13.000 Euro eine ganze Spur günstiger ist. Zwar ist die PPL grundsätzlich international gültig, müsste in Australien/Europa aber umgeschrieben werden. Und obwohl meine Kontostände zu dem Zeitpunkt nicht die höchsten waren, fing ich an, mir konkretere Pläne zu machen, wie ich die Lizenz kostengünstig erreichen könnte und gleichzeitig noch in Australien dazu kommen könnte, Flugzeuge zu fliegen.

Bevor ich mich auf diese Richtung fixieren wollte, musste aber ein Praxistest her: Denn bisher kannte ich nur das Cockpit eines A320 oder A330, aber nicht einer kleinen Propellermaschine, die ich dann mit der PPL fliegen dürfte. Diese Maschinen fliegen nicht in solch großen Höhen (wo eventuell ein wenig meine Höhenangst ins Spiel kommen könnte), zugleich sind sie aufgrund der geringeren Größe deutlich einfacher Winden und Turbulenzen ausgesetzt. Das hat mich in der beruflichen Fliegerei in großen Maschinen zwar nie gestört, aber dennoch dachte ich mir, dass das Gefühl ein komplett anderes sein muss. Also habe ich mich im Rahmen meines Geburtstags Mitte September nach einer Probeflugstunde umgeschaut und bin auch fündig geworden – an einem der schönsten Orte in der Umgebung.

Ab an die Gold Coast

Um Stanthorpe herum gab es einige Flugschulen, die zu unterschiedlichen Preisen einen sogenannte „Trial Introduction Flight“ angeboten haben. Selbstverständlich waren die Angebote an Provinzflugplätzen ein Stück günstiger, aber ich schielte schon von Anfang in Richtung eines Flughafens in Küstennähe. Am Ende ist es daher auch der Gold Coast Airport geworden, wo Airways Aviation Probeflugstunden, Schulungen und Ausbildungen anbietet. Die Gold Coast ist von Stanthorpe zwar rund 250 Kilometer, beziehungsweise 3 1/2 Stunden Autofahrt entfernt, dennoch entschied ich mich aufgrund der atemberaubenden Umgebung für diesen Ort und sollte auch nicht enttäuscht werden. Denn das Wetter an jenem Samstag morgen den 30. September war strahlend blauer Himmel, keine Wolken und angenehm warme Temperaturen über 20 °C.

Allerdings war das Wetter nicht den ganzen Samstag über so sonnig und hell, denn aufgrund der Entfernung und der auf 7 Uhr morgens angesetzten Flugzeit durfte ich bereits um 2:50 Uhr das Bett verlassen. Eigentlich sollte die Flugstunde ein Wochenende vorher am Vormittag stattfinden, aber die Wettervorhersage meinte es nicht gut mit mir und ich wollte keine 250 Kilometer fahren, um dann am Ende noch aufgrund schlechten Wetters gegroundet zu werden. Nach diversen Telefonaten mit der nur in Teilzeit arbeitenden Person bei Airways Aviation fanden wir dann jenen Termin, der mich zum Aufstehen so unfassbar früh zwang. Am Abend zuvor fahren wollte ich jedoch nicht, da so auch noch Kosten für eine Unterkunft angefallen wären und ich aufgrund eines bis 18 Uhr gehenden Arbeitstages die ganze Fahrt bei Dunkelheit angetreten hätte – so schien wenigstens ab 5:30 Uhr die Sonne.

123 Kilometer sind in australischen Verhältnissen nicht viel...
Das frühe Aufstehen wurde mit einem wunderschönen Sonnenaufgang belohnt

Mit einem Lunchpaket, Strand- und Übernachtungssachen im Gepäck ging es also am Samstag kurz nach 3 Uhr los ans Meer. Ich war trotz freiem Donnerstag unfassbar kaputt von der anstrengenden Arbeitswoche, sodass ich das Ziel meiner Reise noch nicht wirklich realisieren konnte und sich meine Aufregung in Grenzen hielt. Zwei Wochen zuvor hatte ich mir im Flight Simulator ein wenig die Cessna 172 in Erinnerung gerufen, die ich vorher bereits einige Male am Computer geflogen bin, ehe ich mich mehr mit dem A320neo beschäftigt hatte. Ich wollte zumindest ein wenig vorbereitet sein und nicht komplett ohne Plan im Cockpit des kleinen Fliegers sitzen.

Die Fahrt verging weitestgehend unspektakulär und ich hatte mich bereits ein wenig an das Fahren in australischer Dunkelheit gewöhnt und die Angst davor verloren. Jene kam insbesondere davon, dass einige Leute – sei es im Hostel oder auch die Vermieterin in Coffs Harbour – meinten, man müsste Respekt davor haben, dass einem jederzeit ein Känguru vors Auto hüpfen könnte. Und auch wenn ich schon einige nicht mehr lebendige Kängurus am Straßenrand gesehen habe, hatte ich bisher nur sehr wenige Begegnungen mit lebenden Exemplaren beim Fahren, wobei diese auch bei den wenigen Malen meist ruhig an der Seite verharrten.

Bilinga Beach Richtung Norden mit Surfers Paradise im Hintergrund
Bilinga Beach in Richtung Süden

Gegen kurz vor halb sieben kam ich an der Gold Coast am gegenüber vom Flughafen gelegenen Bilinga Beach an, wo ich zunächst eine dringend benötigte Toilette suchte, ehe ich ein paar wenige Minuten Meeresluft am Strand schnupperte und so wirklich wach wurde. Anschließend ging es auch gleich gegenüber zur Flugschule, wo mich Howard empfing, der mit mir heute in die Lüfte steigen sollte. Er zeigte mir zunächst ein wenig die Räumlichkeiten der Schule samt Klassenräumen, Wartungshalle und den hauseigenen Flugzeugen, ehe wir uns im Briefingbereich wiederfanden. Dort gingen wir kurz die geplante Route durch, besprachen die Wetterbedingungen und die Gegebenheiten des Fluges – kurz um wir machten ein kompaktes einfach gehaltenes Briefing, wie ich es auch hin und wieder von den Piloten im kommerziellen Bereich mitbekommen habe.

Victor Victor Papa

Als dann meine Daten im System einem Besucherausweis zugewiesen waren, er mir in Kürze die besonderen Sicherheitshinweise im Airside-Bereich erklärte (wobei er das wirklich sehr sehr kurz hielt, nachdem ich ihm von meinem Hintergrund als Flugbegleiter erzählt hatte), ging es auch in jenen Bereich und damit zu unserem Flugzeug am Morgen. Für die Flugstunde war die VH-VVP geplant, die im Funk mit dem Tower nur mit dem Callsign Victor Victor Papa angesprochen wurde. Die Victor Victor Papa war eine Cessna 172S Skyhawk SP mit Garmin G1000 Avioniksystem, welches die meisten analogen Anzeigeelemente für Höhe, Geschwindigkeit und sonstige Flugdaten durch zwei große Bildschirme ersetzt. Das Höchstabfluggewicht (maximum takeoff weight, MTOW) einer solchen Cessna 172 liegt bei ungefähr einer Tonne, was zwar viel klingt, am Ende aber nicht ist: Denn das schließt Kerosin, Gepäck und Passagiere mit ein, sodass das eigentliche Gewicht des Fliegers deutlich geringer ist – so gering, dass Howard mit einer speziellen Zange in der Lage war, das Flugzeug aus eigener Kraft aus der Parkposition auf den Taxiway zu ziehen. Und er war nicht wirklich ein Muskelpaket.

Die Flugschule
Die Victor Victor Papa bereit zum Start

Vor dem Umpositionieren des Flugzeugs hatte er in Kurzfassung den Aufbau der Instrumente wie auch die Funktionsweisen der Türen, Fenster und sonstiger außen vorhandener Elemente erklärt, was er im Anschluss im Flieger sitzend fortsetzte. Jemand, der noch nie ein Cockpit gesehen hat, wäre hier vermutlich maßlos überfordert gewesen und auch ich hatte hier ein bisschen Schwierigkeiten zu folgen, auch wenn ich den Grundaufbau des Cessna aus dem Simulator kannte. Irgendwann war dann aber genug Theorie hinter uns und er startete die Elektronik, richtete die Funkfrequenzen, die Flugroute und sonstige Einstellungen ein und startete den Propeller des einmotorigen Flugzeugs. Ab diesem Moment verlegten wir unsere Kommunikation auf das bereitgestellte Headset, da es im Inneren nun ganz schön laut war. Während ich den Erklärungen mit voller Aufmerksamkeit zu folgen versuchte, war der Start des Propellers der Zeitpunkt, in dem ich so extrem grinsen musste, da ich nun dann doch langsam realisierte, wo ich gerade eigentlich saß und was gleich passieren würde.

Ab in die Luft!

Howard prüfte noch einmal den Wind mithilfe der ATIS-Frequenz, holte sich am Tower die Rollfreigabe zur Runway ab und wir starteten unseren Weg in die Luft: Der Taxiway über die Wege Golf und Bravo war relativ kurz und ich durfte sogar für einige Augenblicke mit meinen Füßen die Ruder steuern und versuchen, der gelben Linie auf dem Weg zur Runway 32 zu folgen. Das gelang mir laut ihm sogar besser als so manchem Flugschüler in den ersten Flugstunden, ich hatte mich meiner Meinung nach aber ziemlich mies dabei angestellt und die ganze Zeit das Gefühl, dass die Pedale unfassbar schwergängig wären und viel Kraft zum Steuern bräuchten.

Der Rollweg zur Runway 32

Kurz vor Erreichen der Startbahn übernahm Howard wieder die Kontrolle, was immer über die Kommandos Handing over und Taking over geschah, in denen beide Piloten klar erkennbar machten, wer gerade für die Steuerung verantwortlich ist. War ich es, hatte der Instruktor in diesem Fall natürlich immer noch die ganze Zeit ein Auge darauf, was ich gerade tat und war wie ein Fahrlehrer jederzeit bereit einzugreifen, falls notwendig.

Die Startfreigabe samt Flugfreigabe eingeholt prüften wir, dass die Startbahn auch wirklich frei war, betraten diese und das Flugzeug beschleunigte auf rund 60 Knoten (ca. 110 km/h), was der Punkt zum Abheben (rotation speed) war. In einem einige Minuten andauernden Steigflug arbeiteten wir uns auf 1.500 Fuß (ca. 500 m) Reiseflughöhe hoch, während ich mich in meinem Inneren zu sortieren versuchte. Auf der einen Seite war ich am Strahlen, nach über einem halben Jahr am Boden (die Strecke von Melbourne nach Brisbane Mitte Mai war mein bis dato letzter Flug) wieder in der Luft zu sein und das auch noch auf dem Piloten-Sitz in einem so kleinen Flugzeug mit dem Wissen, dass ich es gleich selbst steuern dürfte und dabei vielleicht meinen ersten (wenn auch eher mentalen) Grundstein für die PPL legen würde.

Auf Reiseflughöhe durfte ich das Steuer übernehmen

Wandte sich mein Blick von den Instrumenten und Anzeigen des Fliegers nach vorne, erblickte ich die endlose Küste der Gold Coast mit dem noch endloseren Pazifik zur rechten und der Skyline der Gold Coast vor uns, auf die wir langsam aber sicher zuflogen. Schaute ich zur Seite nach unten – insbesondere in den ersten Sekunden nach dem Start – meldete sich meine Höhenangst zusammen mit einigen Wacklern des Flugzeugs, die mit der weiter steigenden Höhe nachließen. Da fing ich dann zwischendurch ein wenig an zu realisieren, was ich da gerade eigentlich mache und wie cool ich diesen Schritt finde.

Ausblick auf die Küste Australiens aus der Luft
Kurz vor der Landung war der Coolangatta Airport zur Linken

Auf Reiseflughöhe angekommen flogen wir eine leichte Links-Kurve und im weiteren Verlauf mit einer Flugrichtung von etwa 340° auf Surfers Paradise und den Q1 Tower zu. Nachdem Howard den Trim eingestellt hatte – der vereinfacht erklärt dafür sorgt, dass der Flieger die Flughöhe hält, ohne dass man mit dem Steuerhorn (also dem „Lenkrad“) groß nach oben oder unten fliegen muss – gab es wieder das Handing over und Taking over-Kommando und ab diesem Moment war ich für die Steuerung der Victor Victor Papa zuständig. Bis zu diesem Punkt hatte ich das Abheben und Fliegen genossen und mit dem Smartphone diverse Fotos und Videos gemacht, doch jetzt waren beide Hände mit voller Konzentration am Steuerhorn und ich durfte die Cessna 172 über die ganze Reiseflughöhe fliegen. Wir flogen zunächst in einer ganz leichten Rechtskurve die Küste an allen Stränden der Gold Coast entlang mit dem Q1 Tower als visuelles Ziel, ehe wir auf der Höhe von Sea World wieder ins Landesinnere in südwestliche Richtung flogen und am Cbus Super Stadium als zweitem visuellem Ziel wieder den Rückweg zum Flughafen einschlugen.

Meine Flugstrecke (Quelle: Flightradar24)

Meine Flugstrecke (Quelle: Flightradar24)

Wie hätte es auch anders sein können, war es ein faszinierendes Gefühl, die Cessna steuern zu dürfen und ich war ein wenig überrascht, wie feinfühlig man mit dem Steuerhorn umgehen musste, um Flugrichtung und -höhe die ganze Zeit beizubehalten. Insbesondere letzteres gelang mir nicht so ganz, wie ich auf Flightradar24 feststellen durfte, denn bei der Kurve über dem Stadion waren wir bei einer Flughöhe von 1.750 Fuß angekommen. So faszinierend das ganze auch war, muss ich sagen, dass ich es mir in der praktischen Ausführung dann doch irgendwie spannender vorgestellt hätte. So kam es, dass mir die insgesamt 30 Minuten Flug (eingeschlossen der Rollwege) für einen ersten Eindruck vollkommen ausreichten und gerade beim Preis-Leistungs-Verhältnis eine Stunde, über die ich ursprünglich bei dem Fahrweg nachgedacht hatte – nicht mehr Mehrwert gehabt hätte.

Nachdem ich die Flugstrecke zurückgelegt und Howard mir ein wenig was zur Umgebung erzählt und einige Fotos und Videos gemacht hatte, ging das Kommando wieder an ihn über und wir verließen die Reiseflughöhe nach erteilter direkter Landefreigabe auf der Runway 32, auf der wir kurz vorher gestartet waren. Ich war überrascht, was direkt in diesem Fall bedeutet, denn während ich mir einen schönen Landeanflug vorgestellt hatte, bei dem wir schon von weitem auf die uns näher kommende Landebahn ausgerichtet waren (so wie ich es eben vom Airbus kannte), lenkten wir sehr eng auf die Landebahn ein, sodass wir nie südlicher als das südliche Ende der Bahn waren. Auch der Brems- und Landeweg hatte (logischerweise) nichts mit einem Airliner zu tun, sodass uns nur wenige Meter reichten, um wieder auf eine Rollgeschwindigkeit von 15 Knoten (knapp 28 km/h) zu kommen, mit der wir dann wieder in Richtung Parkplatz rollten, wo wir das Flugzeug ausschalteten und es von Howard wieder in die ursprüngliche Position geschoben wurde.

Ein Abschiedsfoto vom ersten Flugzeug, das ich selber gesteuert habe

Im Anschluss habe ich mich noch ein ganzes Weilchen mit meinem Instruktor unterhalten, sei es über die Privatpilotenlizenz, seinen Hintergrund, die Chancen, nur mit der PPL Geld verdienen zu können und die Möglichkeiten, sich einen Flieger stundenweise auszuleihen. Und dann war meine erste Flugstunde vorbei und ich stand wieder vor meinem Auto und hatte eine ganze Menge an Eindrücken zu verarbeiten. Dafür begab ich mich bis in den Nachmittag an den Bilinga Beach direkt gegenüber, wo ich nicht nur Strand, Sonne und Meer hatte, sondern hinter mir auch alle halbe Stunde startenden Flugzeugen hinterher schauen konnte.

Was ich aus dem Probeflug mitgenommen habe

Neben dem Bedürfnis, mal wieder in die Luft zu kommen, wollte ich mit der Probeflugstunde auch herausfinden, ob das Fliegen in einem solch kleinen Flugzeug etwas für mich ist, ich daran Spaß habe und ich bereit wäre, dafür als Hobby die oben genannte Summe zusammenzusparen. Außerdem hatte ich mir dadurch erhofft, auch einen Plan für die Zeit nach der Farm-Arbeit zu entwickeln, da ich wie oben auch erwähnt, für die PPL wahrscheinlich nach Europa wieder zurückfliegen würde und das auf den ersten Blick logistisch betrachtet mit einem Weihnachtsbesuch am meisten Sinn machen würde.

Noch während des Fluges, aber auch rückblickend ist mir sehr schnell klar geworden: Ja, ich will die Privatpilotenlizenz machen (falls Du mich dabei unterstützen möchtest, findest Du hier einige Möglichkeiten dafür 😀 ). Es hat mir einfach unfassbar viel Spaß gemacht und es reizt mich von der technischen Seite genauso wie mich schon das Cockpit im A330 als Flugbegleiter interessiert hatte. Ich freue mich auf die Herausforderung, wieder die Schulbank zu drücken, alles rund ums Fliegen zu lernen und irgendwann stolz die PPL zu besitzen und zumindest Freunde und Familie auf Rundflüge mitzunehmen, da das während meiner Zeit in der Kabine leider zu kurz kam.

Allerdings ist mir am Strand liegend auch bewusst geworden, dass ich ohne ein Wunder bis Weihnachten keine 15.000 Euro zusammensammeln werde, sodass der gesamte Ausflug am Ende irgendwie mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hat, was mich auch zwei Wochen später beim Schreiben dieses Blogeintrags noch ein bisschen nervt. Aber ich glaube daran, dass das Schicksal die PPL und mich mit der Zeit schon irgendwie sinnvoll zusammenführen wird – mal schauen, wann…

Weiter nach Brisbane

Nachdem ich mit Umparken die vier Stunden kostenloser Parkzeit im Umkreis um den Bilinga Beach ausgenutzt hatte, ging das Wochenende weiter – mit einem Aufenthalt im eine Stunde entfernten Brisbane, wo ich an jenem Tag zwei Ziele hatte: Als erstes hatte sich durch puren Zufall ergeben, dass ich eine Kofferraumabdeckung für mein Auto auf Gumtree (dem australischen Kleinanzeigen) gefunden hatte. Eigentlich hatte ich nur durch puren Zufall wenige Tage vorher in ganz Australien gesucht und genau ein Inserat gefunden, dessen Ortsangabe auch nicht Brisbane war. Meine Erwartungshaltung lag schon irgendwo bei Perth, ehe ich den Ortsnamen in die Internetsuche eingab und er sich als Vorort von Brisbane herausstellte.

Warum mein Auto keine Kofferraumabdeckung hatte, weiß ich auch gar nicht, auf jeden Fall war sie nicht enthalten und nach mehreren Monaten im Besitz fiel mir dieses Thema gelegentlich auf, weil ich im Auto keinerlei Gegenstände so lagern konnte, dass sie nicht von außen auffällig zu sehen waren. Die Kriminalitätsrate in Australien ist zwar nicht im Ansatz so hoch wie beispielsweise in San Francisco, aber man muss das eigene Auto ja auch nicht interessanter machen als es ist. Und insbesondere bei meinem kommenden geplanten dreiwöchigen Aufenthalt abseits von Australien fühlte ich mich wohler, wenn ich etwas „versteckt“ im Auto lassen konnte.

Den Rest des Tages verweilte ich am wunderschönen Bilinga Beach direkt am Flughafen...
...während es durch Surfers Paradise nach Brisbane ging

Bevor es auf den Motorway 1 in Richtung Brisbane ging, quälte ich mich noch durch Surfers Paradise. Mein primärer Hintergrund für den Abstecher war es, herauszufinden, wie voll die Region an jenem Tag denn war. Denn es war kein gewöhnlicher Samstag, sondern mit dem Montag als Feiertag ein verlängertes Wochenende, welches gefühlt alle Australier im Umkreis dafür nutzten, um an den Strand zu fahren. Gerne wäre ich nämlich eine Nacht an der Gold Coast geblieben, aber das Problem war nicht mal, etwas bezahlbares an Unterkunft zu finden – das Problem war es, überhaupt eine Unterkunft zu finden. Am Ende staute es sich auf dem Gold Coast Highway aber auch nur deshalb, weil irgendein Depp mit seinem „Bonzen-BMW“ auf einer der beiden Fahrspuren aufgrund von Spritmangel liegengeblieben war. Einmal passiert rollte der Verkehr nämlich wieder einigermaßen und so kam ich gegen 16 Uhr in Slacks Creek an und fand nach einer kurzen Suche auch das Haus von dem Verkäufer der Abdeckung.

Hallo Kofferraumabdeckung...

Dabei handelte es sich um einen älteren Herren, der das Bauteil bereits irgendwo aus seinem Keller ausgegraben und auf einem Tapeziertisch vorbereitet hatte. Als ich ankam fing er gerade damit an, es auszupacken, denn es war in Luftpolsterfolie in einem Karton eingepackt und wird wahrscheinlich die letzten Jahre auch darin herumgelegen haben. Es hatte einige kleine Flecken, war sonst aber in einem neuwertigen Zustand und ich schätze in diesem Moment wieder die australische Gastfreundschaft, denn es war für ihn eine Selbstverständlichkeit mir dabei zu helfen, die Abdeckung ins Auto einzusetzen. Dies gestaltete sich ein wenig kniffliger, denn die Plastikverkleidungen an den Radkästen müssen sich mit der Zeit ein wenig verzogen haben, aber mit ein bisschen Biegen und Brechen saß die Abdeckung irgendwann an Ort und Stelle, ich war $140 ärmer und stolz wie ein kleines Kind, dass das alles so unkompliziert geklappt hatte.

Hallo, Zivilisation!

Wir verabschiedeten uns und ich fuhr ein paar Ortsteile weiter zu meiner Airbnb-Unterkunft, die ich mir am selben Morgen am Strand gebucht hatte. Nach zu diesem Zeitpunkt rund 400 Kilometern Fahrstrecke wollte ich nämlich nicht am selben Abend wieder zurück in die Pampa fahren, also suchte ich mir einen Schlafplatz, von dem aus ich relativ unkompliziert in die Innenstadt von Brisbane fahren konnte. Fündig geworden bin ich dabei im Stadtteil Richlands, wo auf mich das erste Mal seit zwei Monaten ein eigenes Zimmer, ein großes Bett und ein modernes sauberes Badezimmer auf mich warteten. Und ich schätzte jedes dieser Elemente so unfassbar, dass ich das Gefühl hatte, ich wäre in einer ganz anderen Welt angekommen. Dieses Gefühl verstärkte sich noch in dem Moment, in dem ich die Dusche einschaltete und sie als Regendusche wahrnahm.

Eine halbe Stunde Fußweg zur Bahn-Station später wiederholte sich das „Oh, eine komplett andere Welt“-Gefühl, nämlich in dem Moment, in dem ich vor einer roten Fußgängerampel stand. Denn vor einer Fußgängerampel stand ich seit mindestens drei Monaten nicht mehr. Genauso ging es am Gleis weiter, als der Zug einfuhr – auch mit öffentlichem Nahverkehr bin ich seit Mitte Mai nicht mehr unterwegs gewesen und ich habe mich die ganze Zeit ein wenig wie Chuck Noland aus Cast Away gefühlt, als er wieder in die Zivilsation zurückkam. Das faszinierende fand ich dabei, dass ich all diese Sachen auf dem Land gar nicht wirklich vermisst habe. Als ich sie dann an der Gold Coast und in Brisbane vorfand, stellte ich fest, wie sehr mir das Stadtleben dann doch fehlte.

Nach Ewigkeiten "musste" ich wieder mal an einer Fußgängerampel warten
Wo ich über dieses Bild aus dem 4 Pines in Brisbane stoße, habe ich total Lust auf Cheeseburger Spring Rolls...

Mein Ziel in Brisbane war an diesem Abend das 4 Pines Brisbane, ein Pub/Restaurant direkt an der Roma Street, der inoffiziellen Central Station. Die Location hatte Daniela rausgesucht, die – ihres Zeichen immer noch Purserin bei meinem alten Arbeitgeber – zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Freund durch Australien herumreiste und zufälligerweise an genau dem selben Wochenende wie ich in der Ecke Brisbane war, sodass wir uns über kurz oder lang auf ein Abendessen und ein paar Kaltgetränke verabredet haben.

Zu Essen gab es für mich den unfassbar leckeren The Mac Dougie Burger, zusammen teilten wir uns als Vorspeise dazu eine Portion Cheeseburger Spring Rolls. Das klingt nicht nur ziemlich pervers, sondern schmeckte tatsächlich auch genauso – aber im positiven Sinne. Wie man es vermuten würde, handelte es sich dabei um kleine Frühlingsrollen, in denen Hackfleisch, Gewürzgurken und Käse verpackt waren. Ergänzt wurde das durch die beigestellte Burger-Sauce, die den finalen typischen Cheeseburger-Geschmack verfeinerte.

Ansonsten war der Abend meine erste „physische Begegnung mit Deutschland“, seitdem ich Ende Februar das Land verlassen hatte. Und so schön der Abend insgesamt war, hat er in mir ein sehr mulmiges Gefühl bei dem Gedanken gelassen, wenn ich irgendwann wieder nach Deutschland zurückkomme – und sei es nur für einige Wochen beispielsweise für Weihnachten. So sehr mir durchaus Familie und Freunde fehlen, so wenig fehlt mir Deutschland im Moment an sich. Dieses Bewusstsein gaben mir die Erzählungen und Vergleiche mit der Heimat, die Daniela nach zwei Wochen Australien getätigt hat und die ich alle nach über einem halben Jahr genauso unterschreiben konnte. Dazu kommt sicher auch, dass ich Deutschland mit der Zeit in der Fliegerei und all dem Stress und irgendwo unglücklich sein verbinde und ich das alles auf irgendeine Weise hinter mir gelassen und mich natürlich auch ziemlich weiterentwickelt habe. So sehr, dass ich zwischendurch mehr Angst vor dem Kulturschock in der Heimat habe als vor dem, der im November in Thailand und Vietnam auf mich wartet…

Byron Bay oder Sunshine Coast?

Mit der letzten Bahn den CBD von Brisbane wieder verlassen kam ich kurz nach Mitternacht wieder in meiner Unterkunft an und habe dort auch fast bis 11 Uhr im Bett gelegen mit der Frage, was ich mit dem nun schon halb vergangenen Sonntag noch anstellen würde. Wir hatten am Abend zuvor nach spontan buchbaren Tagesausflügen mit dem Flugzeug geschaut, die Daniela aufgrund ihrer Airline-Zugehörigkeit kostengünstig buchen konnte. Da aber beide mehr darauf aus waren, mit auf ihrer Bucket-Liste vertretenen Flugzeugmustern zu fliegen als wohin die Reise gehen sollte, sind wir am Ende nicht zu einem Ergebnis gekommen und ich war am Sonntag auf mich alleine gestellt. Also genoss ich mein eigenes Zimmer noch solange ich konnte, die saubere moderne Dusche solange ich konnte und schaute mich nach potentiellen Strandzielen um, die im Rahmen eines Tagesausfluges interessant wären.

Dabei stolperte ich über ein freies Hostel-Bett in Byron Bay, knapp zwei Stunden von Brisbane entfernt. Für 31 Euro samt kostenlosem Parkplatz am Rand des kleinen Stadtzentrums war das am langen Wochenende mehr als nur ein Schnäppchen. Es hatte auch irgendwie seinen Reiz, denn ich hatte bereits nach freien Surfstunden geschaut und dadurch, dass Byron Bay im Bundesstaat New South Wales liegt und dieser im Gegensatz zu Queensland eine Sommerzeit hat, hätte ich auf diesem Kurzausflug auch gleich eine andere Zeitzone mitgenommen. Allerdings war Byron Bay auch der letzte Stop der Reise, den ich nicht alleine bestritten hatte und schon das Fahren durch Surfers Paradise und das Aussteigen an der Roma Street in Brisbane hatten in mir Erinnerungen an die Zeit des Nicht-Alleine-Reisens geweckt, sodass ich mir hier nicht sicher war, wie viel ich davon an einem Wochenende vertragen würde. Also entschied ich, duschen zu gehen und das Schicksal entscheiden zu lassen: War das Hostel-Bett nach der Dusche noch frei, würde ich es buchen. Wenn nicht, dann würde ich aus logistischen Gründen einen Strand an der Sunshine Coast aufsuchen, wozu es dann auch kam.

Über diese Schicksals-Entscheidung war ich nicht nur aus mentalen, sondern auch aus finanziellen Gründen echt glücklich, denn die 170 Kilometer nach Byron Bay, die Unterkunft, das Essen und Trinken und die Surfstunde wären keine günstige Angelegenheit gewesen. Also entschied mich für die Sunshine Coast, denn ich wollte vor dem Rückweg nach Stanthorpe noch einmal in den internationalen Laden Coco’s Annerley einige polnische Köstlichkeiten kaufen. Und von Brisbane zur Gold Coast, um dann wieder nach Brisbane zu fahren erschien mir unsinniger, als einfach in den Norden zu fahren und dann „zwangsweise“ auf dem Weg zurück wieder durch Brisbane zu fahren – irgendwie muss man sich das alles ja schön reden 😀

Der Mudjimba Beach am Sunshine Coast Airport
Einen Blick auf das Vorfeld des Flughafens zum Sonnenuntergang konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen...

Der Sunshine Coast Airport ist genauso wie der Gold Coast Airport direkt am Meer gelegen, sodass ich den Mudjimba Beach als Ziel rausgepickt hatte. An dem Strand war ich zwar erst gegen 14 Uhr angekommen, dennoch verbrachte ich den Rest des Tages in der Sonne an dieser deutlich ruhigeren Ecke im Vergleich zur Gold Coast. Auch hier muss ich mal wieder die australische Infrastruktur loben: Es gab direkt am Zugang zum Strand einige kostenlose Parkplätze, Mülleimer, Duschen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite auch Toiletten. Der Strand war durchaus frequentiert, dennoch war es absolut keine Schwierigkeit, hier seine Ruhe zu haben und dem Rauschen der Wellen zuzuhören. Ich wagte mich auch ins Wasser, welches nach wenigen Sekunden nicht mehr kalt war und für eine erfrischende Abkühlung sorgte.

Im Bezug auf das Planespotting war ich vom Sunshine Coast Airport ein wenig enttäuscht. Zwar liegt die Landebahn nicht parallel zum Strand, sodass die Flieger im direkten Start- oder Landeweg über einem fliegen, allerdings ist die Menge der hier landenden Flugzeuge relativ überschaubar und auch nur bedingt spannend. Dennoch blieb ich fast bis zum Sonnenuntergang, der an der Ostküste ja sowieso nicht am Strand ist. Irgendwann wurde es mir dann aber zu frisch und ich machte mich auf den Rückweg nach Stanthorpe – am Anfang noch begleitet von der traumhaft untergehenden Sonne parallel zum Motorway 1, irgendwann dann aber bei kompletter Dunkelheit, die mich dann auch die insgesamt etwas über vier Stunden Rückweg begleitete. In Brisbane hielt ich wie geplant bei Coco’s Annerley, holte mir dann noch bei Domino’s eine kleine Pizza und verbrachte die Hälfte der Rückfahrt damit, meiner Mutter am Telefon von meinem Gedankenchaos nach den Tagen zu erzählen, was die Fahrt dann auch sehr kurzweilig machte. Die letzten 40 Kilometer von Warwick bis zum Hostel zogen sich noch ein Stück und waren insgesamt sehr unspannend, denn ich begegnete unterwegs nur drei Autos und fünf Kängurus. Im Hostel gegen halb zwölf nachts angekommen ging in der Küche gerade eine Party, wobei ich nur kurz hineinhuschte, um meinen Einkauf im Kühlschrank zu verstauen, ehe ich mich noch zu einer Dusche zwang und im Land der Träume verschwand, bevor es nach dem Feiertag am Dienstag auf der Erdbeerfarm weiterging…

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