Mein Weg zum Flugbegleiter: Warum überhaupt?

Huch, was ist denn jetzt mit ihm passiert? … manch einer, der mich kennt oder diesen Blog öfter verfolgt (gut, dann vermutlich eher nicht), wird von der Überschrift dieses Eintrags ein wenig (oder sehr?) verwirrt sein. Auch wenn dieser Blog thematisch seit zwei Jahren fast nur noch meine Reisen beinhaltet, bin ich vielen glaube ich doch als der etwas nerdige Informatik-Student im Kopf hängen geblieben und den meisten über meine Apps bekannt. Ich kann Euch versichern, daran hat sich nicht viel geändert (außer meinem Bachelor-Abschluss nach vier Jahren), doch das Reisen hat nicht nur gefühlt den höheren Punkt in meinem Leben eingenommen als das Programmieren, sondern es gab noch einige weitere Gründe, die mich zu dieser komplett neuen beruflichen Ausrichtung bewegt haben und um die wird es nachfolgend gehen, bevor ich in den folgenden Teilen kurz auf die Bewerbungen & Assessment Center, die Schulung und auch die (Nicht-)Erfüllung meiner Erwartungen eingehen werde.

Mein Nein zum Bürojob

Angefangen hatte eigentlich alles mit meinem dreimonatigen Praktikum in London 2016. Nach einem selbständigen Projekt hatte ich dort die erste Möglichkeit, in einem Unternehmen zu arbeiten, zu programmieren und die Arbeit als solche wahrzunehmen. Nebenbei nutzte ich die Wochenenden, um hin und wieder mal irgendwo hin zu reisen, sei es Cardiff, Belfast oder Oxford. Anschließend ging es für eine Teilzeitstelle drei Monate nach Wien und dieses Jahr für die Bachelorarbeit rund vier Monate ins schwäbische Göppingen. Spätestens beim letzten Ort kam ich letztendlich zu der Erkenntnis, dass der klassische Bürojob zumindest aktuell nichts für mich ist.

Der Grund war eigentlich ein simpler: Ich fühlte mich unterfordert und in eine gesellschaftliche Norm eingepfercht, in die ich nicht rein wollte. Die Unterforderung ergab sich dabei nicht durch die Aufgaben; das Programmieren gerade in neuen Entwicklungsumgebungen und für neue Plattformen forderte mich immer wieder aufs Neue, doch irgendwann wurde es immer wieder das gleiche. Jeden Morgen um 7 aufstehen, durch den mehr oder weniger gleichen Berufsverkehr zur Arbeit fahren, bis zur Mittagspause am immer gleichen Tisch mit den immer gleichen Kollegen absitzen, nach der Mittagspause gesättigt ohne Erholung weitermachen bis zum Feierabend, ehe es dann wieder nach Hause und ausgelaugt auf die Couch ging, weil mir die Motivation für irgendetwas anderes komplett fehlte. Dauerte es in London durch die neue Umgebung und die Großstadt noch länger, hatte ich in Göppingen spätestens nach zwei Monaten die Motivation verloren, am Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu fahren – die Vorstellung, so einer Tätigkeit Jahre lang nachzugehen, sorgte für Angstzustände…

Eine Sache, die mir zudem missfiel, auch wenn sie auf Dauer sicher hätte optimiert werden können: Ich verstehe bis heute nicht, wie in den meisten Büros, wo Leute den ganzen Tag verbringen, unbequeme Stühle und zu tiefe Tische den Arbeitsalltag prägen. So anstrengend, dass man zum Teil danach wirklich ungerne an irgendeiner Form von Tisch sitzen möchte. Bei meinen kurzen Aufenthalten habe ich das nie zur Sprache gebracht, aber teilweise arbeiteten Kollegen dort 5-6 Jahre an einem solchen Arbeitsplatz.

Mein Nein zum fehlenden Kundenkontakt

Zeitlich etwas weiter zurückgesprungen hatte ich in der 11. Klasse (also 2010-2011) angefangen zu programmieren und 2012 mit PitlaneOne (damals noch als Java-Version für Symbian) meine erste App veröffentlicht. Weitere sollten folgen und so entwickelte sich das Programmieren (höhö Wortspiel) zu einem Hobby, was mir unfassbar viel Spaß machte und mich in erster Linie nicht durch Spenden oder den finanziellen Ertrag erfüllte, sondern primär dadurch, positive Bewertungen und konstruktive Kritik zu meinen „Kunstwerken“ zu lesen und wahrzunehmen. Es war, glaube ich, wirklich das erste Mal, dass Leute etwas, was ich mit viel Zeit, Eifer und Perfektionismus gemacht habe, schätzten. Und es waren keine Bekannten oder Verwandten, sondern Fremde aus dem Internet, die mir das Gefühl gaben, etwas gut gemacht zu haben oder auch Vorschläge gaben, um es noch besser zu machen. Gerade unter Symbian und Windows Phone/10 hatte ich hier das Glück der Nische, bei der das ganze etwas familiäres hatte.

Nun, dadurch, dass ich an allen besagten Orten „nur“ ein Entwickler war, hatte ich keinerlei Kundenkontakt. Und das Feedback vom Abteilungs-, Bereichsleiter oder Chef ist eben das eine, aber definitiv nicht das gleiche wie das vom Endanwender, der die Anwendung dann wirklich verwendet. Auch dies spiegelte sich irgendwo letztendlich bei meiner sinkenden Motivation wieder, wobei hier niemandem ein Vorwurf zu machen ist.

Mein Nein zur Selbständigkeit

Vor drei Jahren, als ich anfing, einige Projekte neben dem Studium selbständig zu betreuen, wäre es auch denkbar gewesen, in diese Richtung einzuschlagen, doch 2017 war das keine Option mehr. Zum einen wollte ich beruflich zwar nicht immer das gleiche haben, aber doch irgendeine Form von extern organisierter Ordnung. Und in dem Szenario fehlte mir bei der Selbständigkeit dieses externe; im Bezug auf den Erfolg und Misserfolg, im Bezug auf Kundenakquise und im Bezug auf Arbeitskollegen. Zudem war meine kleine Nische – Windows Apps – mit der ich bis hierhin unterwegs war, dank diverser Entscheidungen aus dem Hause Microsoft schneller untergegangen als die Titanic nach der Kollision mit dem Eisberg, sodass ich dieses Kapitel gar nicht weiter verfolgte…

Mein Nein zu meiner Komfortzone

Wer mich aus der Schulzeit oder den Anfängen meines Studiums kennt, kennt mich in erster Linie als schüchternes Wesen, das eher selten etwas unternahm oder das Haus verließ, wenn es nicht absolut nötig war. Daraus lassen sich heute nicht nur meine über 98.000 Tweets in den letzten Jahren ableiten, sondern auch der Bau einer Mauer um den Rand meiner vergleichsweise engen Komfortzone. Da ich mangels fehlender Klaustrophobie nie das Bedürfnis hatte, aus dieser auszubrechen, machte ich nach dem Abi thematisch das, was einfach Sinn machte (was eben nur Informatik war), sodass ich gar nicht erst über die Mauer hinaus schauen musste. Während ich damals mit dem Thema abgeschlossen und fürs erste beschlossen hatte, in meiner Komfortzone zu bleiben, ergab sich aus dem Traum, in die USA zu reisen, der Wunsch mein Pflichtpraktikum dort zu absolvieren. Daraus wurde dann bekanntlich London und ich wagte immer mal wieder, einen Stein von der hohen und festen Mauer zu nehmen – sei es durch die kleinen Reisen oder auch einfach durch das alleine Leben in einem fremden Land an sich. Ich fand im Unterwegs sein so viel Erfüllung, dass ich daran in Wien gleich anknüpfte und mir im Anschluss endlich meinen USA-Traum mit New York erfüllte. Mit all den Abenteuern, die irgendwann selbstverständlich wurden, senkte sich hier zwar die Schüchternheit, aber insbesondere das Zugehen auf Fremde erforderte immer noch eine Menge Überwindung, wie ich am ersten Tag in NYC feststellen konnte. Ich war zwar froh darüber, all das gemacht und (so doof es klingen mag) „gewagt“ zu haben, doch ich merkte die Anstrengung, mich immer darum bemühen zu müssen.

Mein Ja zum spontanen Zufall

Mit der Zeit wurden die Abenteuer und Reisen immer spontaner und öfter, sodass ich mich mittlerweile schon manchmal dazu überreden musste, mal zu Hause zu bleiben und nichts zu tun oder mal ein paar Mails abzuarbeiten und ein paar Fehler in Apps zu beheben (bzgl. der Mails ein großes Sorry dafür an dieser Stelle, ich hoffe, das legt sich im Januar ein wenig). Während ich von April bis August im „Schwabenländle“ hausierte, hatte ich dort als Untermieter Zugang zu einem kleinen Bücherregal der eigentlichen Mieterin, die während meiner Zeit im Süden einige Auslandsmonate in den USA hatte. Ich durfte frei in den Büchern herumblättern, was ich beim Übernahmetag der Wohnung einfach mal so hinnahm – schließlich hatte ich seit Harry Potter und der Halbblutprinz kein Buch mehr freiwillig zu Ende gelesen. Doch irgendwann muss meine Langeweile so groß gewesen sein, dass ich mich mal in den Regalen umschaute und bei einem Buch hängen blieb: Tür zu, es zieht!: Aus dem Leben einer Stewardess von Kathrin Leineweber. Es dauerte drei Arbeitstage, bis ich die 272 Seiten, die ich im Blog an anderer Stelle noch einmal aufgreifen möchte, durch hatte.

Tür zu, es zieht!

Anschließend fing ich an, mich mit dem Beruf weiter zu beschäftigen: Ich schaute Dokus, las Blogeinträge und ging im Kopf die Flüge durch, die ich als Passagier schon durchgemacht hatte, immer mit der einen Frage im Vordergrund: Konnte ich es mir vorstellen, diesen Beruf auszuüben? Was waren die Gründe, warum ich mit einem so gut wie abgeschlossenem Informatik-Studium so viel Gefallen daran fand, dieses erst einmal über Bord zu werfen (insbesondere aus finanzieller Sicht)? Was waren bei dem Beruf die Gründe, vor denen ich Angst hatte, meine Komfortzone zu verlassen? Waren diese Gründe groß genug? Und wenn ja, waren diese nicht erst recht ein Ansporn, es zu versuchen?

Mein Ja zur Schnapsidee

Nun, das finanzielle war tatsächlich nie ein Anreiz für oder gegen einen Beruf gewesen. Ich bin mit eingeschränkten Mitteln groß geworden, habe immer gelernt, sparsam mit Geld umzugehen und gleichzeitig habe ich anderen Leuten immer nahegelegt, unbedingt das zu machen, woran man Spaß und Freude hat und nicht, weil es viel aufs Konto bringt (natürlich sollte man davon leben können). Somit hatte ich gleichgewichtig zwei Dinge, die mir Spaß machten und die ich in Zukunft in meinem Leben machen wollte: Programmieren und unterwegs sein. Eines davon beruflich und eines privat. Das berufliche Programmieren hatte sich hierbei aus dem Hobby ergeben, doch da mir das so mit dem privaten Unterwegs sein bei einer Dauer von zwei bis drei Monaten schon nicht gefiel, entschied ich mich also versuchsweise für die Schnapsidee und bewarb mich (nüchtern!) zum ersten Mal als Flugbegleiter…

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