Mein Weg zum Flugbegleiter: Das erste Assessment-Center

Nach der Erkenntnis, dass ich die nächsten Jahre eigentlich nicht gerne in einem monotonen Bürojob zugange sein will, die es hier zum Nachlesen gibt und der näheren Identifizierung mit der Rolle des Flugbegleiters kam ich schnell auf die „Schnapsidee“, mich doch einfach mal dafür zu bewerben und zu schauen was dabei passiert. Aus meinen bisherigen Flug-Erfahrungen kombiniert mit aktuellen Krisen blieb neben Eurowings natürlich die Lufthansa in meinem Blickfeld, wo ich dann letztendlich über das Karriere-Portal meine Bewerbung aufgab. Auf dem Portal musste man zunächst den anvisierten „Stützpunkt“ auswählen, zur Wahl standen Frankfurt oder München genauso wie zwei Gehaltsmodelle (83% unbefristet oder 50% für zwei Jahre). Da die Standorte nach kurzer Recherche keinen großen Unterschied für den Beruf selbst haben, beide genauso teuer sind, aber Frankfurt nicht wirklich meine prädestinierte Stadt ist, in der ich länger sein möchte, als nötig, fiel die „Wahl“ auf München. Anschließend folgte die Eingabe der persönlichen Daten, Erfahrungen, Motivationsschreiben, etc. womit die Bewerbung formal abgeschickt wurde.

Der Online-Englischtest

Wenige Minuten danach wurde man zu einem Online-Englischtest eingeladen, denn neben gewissen Größen- und Sehstärke-Vorgaben gehört fließendes Englisch zu den Voraussetzungen eines Flugbegleiters bei so ziemlich jeder Fluggesellschaft, was jetzt aber auch nicht wirklich wundern sollte. In dem Online-Test ging es um allgemeine Satzformulierungen und Verständnisfragen, die ich ehrlicherweise mit ein wenig Google-Hilfe hier und dort relativ gut gelöst habe. Im echten Leben hat man ja den Passagier oder Mitarbeiter oder wen auch immer, den man bei Nichtverstehen fragen kann, deshalb finde ich das gerechtfertigt, hier auf die Technik zurückzugreifen.

Kurz nach Bestehen des Tests, für den man ab dem offiziellen Einreichen der Bewerbung übrigens zehn Tage Zeit hat, bekam man a) eine Mail mit eben jenem Ergebnis, die damit einer Einladung ins Assessment-Center entsprach und b) eine zweite Mail mit einem Basis-Feedback zu den Ergebnissen, sprich einer Zahl zwischen 1 (meeh) und 9 (super) in Relation zu anderen Bewerbern – ich hatte hier eine solide 5.

Auf dem Weg ins Assessment-Center

Elf Tage nach Bewerbung und Ablegen des Englisch-Tests flatterte eine weitere Mail in mein Postfach, jene die mich über mögliche Termine für das Assessment-Center informierte, die nun freigeschaltet wurden. Hier konnte ich zwischen Tagen, Wochen und Uhrzeit auswählen, insgesamt fünf-sechs Termine standen zur Wahl. Auch hier gab es für mich keine wirkliche Wahl, denn es gab nur einen Termin Ende Juni, alle anderen waren erst Ende Juli und solange wollte ich nicht in diesem fragewürdigen perspektivlosen Zustand schweben.
Also entschied ich mich für Donnerstag, den 29. Juni und zwar um 14 Uhr, denn dann ließ sich das als Tagesausflug mit nur einem Urlaubstag verbinden. Bei der Bestätigung des Termins konnte man zudem noch wählen, wie man denn anreist: Zug, Bahn, Auto oder Flugzeug. Das war nur aus dem Grund wichtig, weil man für das Flugzeug ein Flugticket bekam, alles andere musste man selbst zahlen. Wobei man bei dem Flugticket, für welches ich mich letztendlich entschieden hatte, doch einen Plan B haben sollte, aber dazu gleich mehr… 😀

Vor dem ganz besonderen Tag hieß es daher erstmal, sich einen kleinen Kopf darüber zu machen, was alles schief laufen könne, wo man in den Gesprächen versagen könne und allgemein überhaupt wie das ganze dort ablief. Dafür standen glücklicherweise diverse Foren bereit, wo Leute ihre Erfahrungen niedergeschrieben und die gängigsten Fragen, die man zusammengefasst als die Konzepte in Richtung Excellent Service betiteln konnte. Letztendlich hielt ich die Vorbereitungen aber eingeschränkt und am Nachmittag davor beschäftigte ich mich mit anderen Dingen und es kehrte Ruhe in meinen Körper ein, wie das immer vor Klausuren so war…

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 5:10. Eine sehr fiese Zeit, bedenkt man doch, dass der Termin erst um 14 Uhr war – aber eben in München. Um von Schwäbisch Gmünd dahin zu kommen, hatte ich mehrere Konzepte überlegt: Plan A war der Lufthansa CityLine-Flug von Stuttgart nach München um 9:35. Dafür musste ich von Schorndorf erst eine Stunde mit der S-Bahn zum Flughafen gurken und dafür musste ich erstmal 25 Minuten nach Schorndorf mit dem Auto fahren. Zusammen mit einem Puffer für S-Bahn, Flughafen und Bundesstraße ergab sich die eben genannte Zeit. Schick angezogen, für alle Notfälle gepackt und mit Frühstück gestärkt verließ ich um 6:15 die Wohnung und fand mich um 6:40 pünktlich in Weiler, einem Vorort von Schorndorf ein, wo der P+R-Parkplatz im Gegensatz zur Stadt keine zwei Euro kostete. Das Ticket erworben kam die S-Bahn tatsächlich pünktlich und eine Stunde später durch die Untergründe Stuttgarts war ich dann auch am Flughafen angekommen. Der Check-In-Schalter war zwar schnell gefunden, aber so überfüllt, dass ich den Check-In am Automaten durchführte und dabei auch gleich zweimal ausführen musste, denn der erste Automat hatte kurz vor dem Drucken des Tickets seinen Dienst einfach verweigert. Auf jeden Fall saß ich gegen 8:25 am Gate und durfte warten … und jetzt kommen wir auch dazu, warum Plan A; dies impliziert ja wie bereits erwähnt die Existenz eines Plan B.

Dieser war von Nöten, weil es sich bei dem bereitgestellten Flugticket um ein so genanntes „Stand-By-Ticket“ handelte. Das bedeutet einfach erklärt: Ich habe ein Ticket und darf mitfliegen, aber (!) nur, wenn ein Platz frei ist. Ist dem nicht so, habe ich Pech gehabt und muss auf den nächsten Flug warten oder mir was anderes überlegen. Das andere an dieser Stelle war der Einfachheit halber mein Auto: Da der Flug um 9:35 ging, hätte ich spätestens beim Boarding erfahren, ob ich mitkomme, d.h. um spätestens 11 Uhr wäre ich wieder bei meinem Auto gewesen und hätte noch drei Stunden gehabt, um nach München zu fahren. Glücklicherweise ist dieser Fall nicht eingetreten, denn alle konnten mitkommen und es ging mit einer Bombardier CRJ900 NextGen zum Franz Josef Strauss-Flughafen in München. Bei der Maschine handelte es sich um das kleinste Flugzeug, in dem ich je saß, aber dies passte auch zum kürzesten Flug, den ich je geflogen bin, denn er dauerte eine knappe halbe Stunde. Natürlich hatte ich hier so interessiert auf die Flugbegleiter geachtet, wie bei keinem anderen Flug bisher… 😀

Was für eine Metapher am Flughafen München bei dem Tag...

Am Münchener Flughafen vertrieb ich mir ein wenig die Zeit, die ich nun noch zu Genüge hatte, suchte den Subway quer durch den halben Flughafen, aß dort ein kleines Mittagessen, erfragte am Schalter bei einer netten Dame, die mir gleich auch viel Erfolg wünschte, wie es denn um die Belegung meines Rückfluges aussah („Die Economy ist voll, in der Business sind aber noch zwei Plätze frei; ich denke, sie sollten problemlos mitkommen.“) und machte mich mit der S-Bahn auf den Weg zum FOC, dem „Flight Operations Center“ wo der Assessment Center-Tag stattfand und wo ich gegen 12:45 ankam. Nach der Anmeldung an der Anmeldung (wer hätte das jetzt kommen sehen…) traf ich auf eine Flugbegleiterin von Air Berlin, die aus persönlichen Gründen erst jetzt die Möglichkeit hatte, sich bei der Lufthansa zu bewerben und wir unterhielten uns, während nach und nach weitere Bewerberinnen hinzukamen. Allein hier hatte jeder sechsmal seine Lebensgeschichte in Kurzform erzählt, ehe es dann zu viele wurden…

Das erste Gespräch

Gegen 14 Uhr ging es endlich los und die gesamte Runde bestehend aus rund 15 Damen und mir einschließlich drei Herren machte sich auf den Weg durch die Flure und Räume des Gebäudes in den dritten Stock, wo ein Stuhlkreis aufgebaut war, in dem wir Platz nehmen durften ehe es auch schon losging. Nach einem kurzen Willkommen wurde jedem ein iPad gegeben mit der Aufgabe dort einen Persönlichkeitstest auszufüllen. Dieser Test bestand aus etwa 90 Fragen zu Dingen wie Verhalten in Stresssituationen, Alkohol, Zuverlässigkeit und den üblichen Dingen, wobei jede Frage (eigentlich waren das eher Aussagen) auf einer Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 7 (trifft voll zu) zu bewerten war. Ein richtig oder falsch gab es offiziell nicht aber natürlich war abzusehen in welche Richtung und in etwa mit welchem Ziel die Aussagen formuliert waren. Hier würde mich im Nachhinein tatsächlich interessieren, wie der Test ausgewertet wird und welche Erkenntnisse daraus gezogen werden im Bezug auf die Bewerbung.

Der Test war trotz der oben genannten Menge an Fragen relativ schnell durch und nach und nach wurden die Bewerber zum ersten von zwei Gesprächen eingeladen, dessen durchführende Personen sich vorher kurz vorgestellt hatten. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob die Reihenfolge alphabetisch war oder auf der Beendung des Tests basierte, allerdings kam ich sehr schnell an die Reihe und wurde von einer freundlichen Dame empfangen und erneut quer durch das Gebäude in einen kleinen Raum geführt. Die Dame hatte sich in Form von Small-Talk, der aber schon Bezug auf meinen Lebenslauf hatte, darum bemüht, die Anspannung der Bewerber herauszunehmen, was ihr eigentlich ganz gut gelang. In dem Gespräch selbst ging es um die allgemeinen Fragen, d.h. habe ich Piercings oder Tattoos (wenn ja, im sichtbaren Bereich?), kann ich schwimmen, stimmen die sonstigen Daten noch, insbesondere potentieller Schulungsbeginn. Nach einer kurzen Vorstellung ihrerseits sollte auch ich mich ihr vorstellen, wobei ich dies auf Englisch machen sollte. Da ich ja letztes Jahr drei Monate in London gelebt habe, fiel mir das nicht ganz so schwer und ich befolgte einen Tipp, den ich in den Foren öfter gelesen hatte, nämlich nie ein deutsches Wort verwenden – wenn dann versuchen zu umschreiben. Dass mein Englisch hierbei nicht perfekt ist, ist klar, aber es ist eigentlich relativ fließend und darauf kommt es denke ich an. Auf Englisch fragte sie mich anschließend noch unter anderem, was ich mir unter exzellentem Service vorstelle und inwiefern ich dieses Bestreben von Seiten des Unternehmens als Flugbegleiter erfüllen kann. Diese Frage führte sie daraufhin auch im Deutschen aus, ehe das Gespräch nach gefühlt fünf und faktisch sicher 15-20 Minuten ein Ende nahm und ich zurück in den Warteraum begleitet wurde, wo sich alle Bewerber untereinander austauschten.

Das zweite Gespräch

Es dauerte aber nur wenige Minuten, bis die zweite Runde an Interviewern den Warteraum betrat, sich kurz vorstellte und die erste Runde mit in ihre Räume nahm. Dieses Mal ging es um den psychologischen Faktor und auch hier bemühte sich die Dame darum, schon auf dem Weg eine lockere Stimmung zu schaffen, wobei ihr Small-Talk sich im Vergleich zum ersten in Grenzen hielt. Auch im zweiten Gespräch wurden die Basics kurz abgefrühstückt, doch ging es hier deutlich mehr darum wie ich mich als Flugbegleiter schlagen würde, wobei sie auch fragte, wieso ich mich überhaupt dazu entschieden hatte. Dabei klapperte sie ein bisschen Wissen ab, was eigentlich ja noch keine Voraussetzung war, indem sie fragte, wie ich mir den Alltag vorstellen würde, die Abläufe etc. Glücklicherweise konnte ich dank des Buches, das mich überhaupt zu dem Job gebracht hat, bereits ein wenig Wissen vorweisen und tappte nicht ganz im Dunkeln. Danach ging es bei dem Gespräch wieder um exzellenten Service (ah, das Schlagwort kannte ich ja schon irgendwo her) und um das Verhältnis von Service und Sicherheit während des Fluges. Das von vielen einschließlich mir befürchtete Rollenspiel gab es nicht, ich wurde lediglich gefragt wie ich mit bestimmten Situationen umgehen würde. Als Beispiel gab es dabei den Fall, dass ein PAX, der arbeiten möchte, in der Nähe von einer Familie mit lauten Kindern sitzt und sich darüber beschwert, dass er nicht ungestört arbeiten kann. Ich habe dabei (Gedächtnisprotokoll) geschildert, dass ich mich zunächst beim PAX für die unangenehme Situation entschuldigen würde und mich darum bemühen würde, dieses Problem zu lösen, zum Beispiel indem ich schaue ob ich ihn umsetzen kann (ich hatte hier zumindest auch angedacht, ihn eventuell in die Business Class umzusetzen, wenn in Economy nichts mehr frei wäre, wobei dieser Gedanke von der Interviewerin, die selbst vor Jahren als Flugbegleiterin geflogen ist, wieder aus meinem Kopf geschlagen wurde). Darüber hinaus würde ich mich darum bemühen je nach Vorhandensein mich in Form eines Goodies (Glas Sekt, etc.) beim PAX zu entschuldigen, gleichzeitig aber auch den Kindern möglicherweise durch Malzeug o.ä. eine Beschäftigung zu bieten, dabei natürlich immer um einen freundlichen Umgangston bemüht (ganz ehrlich, ich bin sehr gespannt, wie das in der Praxis so sein wird, weil in der Theorie hört es sich doch so simpel an… xD).

Auf jeden Fall endete daraufhin das zweite Gespräch, ich durfte selbst den Weg in den Warteraum zurückfinden und hatte nun auch die Gelegenheit, mich mit den Rede und Antwort stehenden Flugbegleitern auszutauschen und sie über alles mögliche zu dem Thema zu löchern, was ich sehr gerne genutzt habe, ehe wir gegen 16 Uhr aus dem Raum gebeten wurden, um Platz für die nächste Runde zu machen.

Der fast gescheiterte Rückflug

Anschließend ging es für mich zurück zum Flughafen und es begann das große Bangen, ob ich denn an dem gleichen Tag auch wieder mein Bett willkommen heißen darf. Denn wie oben schon erwähnt hatte ich ja ein Stand-By-Ticket und während mir vorhin zwar gesagt wurde, dass es noch freie Plätze gäbe, lautete der Stand mittlerweile: Ausgebucht. Trotzdem machte ich mich auf den Weg zum Gate am Münchener Flughafen, verbrachte dort umgeben von unbegrenztem WLAN (eine Seltenheit an deutschen Flughäfen), Steckdosen und Flugzeugen die Wartezeit bis zum Boarding, ehe ich etwa 20 Minuten vorher beim vorbereitenden Lufthansa-Mitarbeiter am Gate nachfragte, wie denn die Situation ausschaue. Den potentiellen Plan B (mit der S-Bahn zum ZOB, mit dem FlixBus zum Stuttgarter Flughafen und dann mit der S-Bahn wieder zu meinem Auto) hatte ich bereits verworfen, denn es erschien mir zu teuer und ich hatte die realistische Chance am Stuttgarter Flughafen die letzte S-Bahn zu verpassen, wenn der FlixBus verspätet wäre – und an welchem Flughafen ich die Nacht verbringe, ist nun echt irrelevant. Außerdem hatte mich für den Fall mit Notfallgepäck a la Zahnbürste, -pasta und kleinem Handtuch auch passend vorbereitet.

Der bisher kleinste Flieger, den ich betreten durfte - zu groß für ein Foto...

Glücklicherweise hatte ich eine Menge Glück, denn für einige Passagiere war der Flug MUC-STR ein Anschlussflug aus einer weiter entfernten Destination, doch das Flugzeug, in dem sie gerade saßen, hatte so viel Verspätung, dass man sich dazu entschied, nicht auf jenes zu warten und nur so durfte ich noch mitfliegen und musste nicht auf den nächsten Flieger am nächsten Morgen um 8 Uhr warten. Also ging es zum Boarding, wobei ich kein neues Ticket bekam was mich etwas verwirrte. Nach dem 25 Minuten-Flug, einer Stunde S-Bahn (ein eigentlich echt trauriges Verhältnis) kam ich erleichtert bei meinem Auto an und eine knappe halbe Stunde später nach einem Zwischenstop beim „Gourmet-Restaurant meines Vertrauens“ dann auch zu Hause.

Das Ergebnis

Leider begannen am Tag darauf Wartungsarbeiten am Karriere-Cockpit der Lufthansa, die insgesamt dafür sorgten, dass ich mich zwei Wochen lang auf eine Rückmeldung gedulden musste, die auch leider nicht positiv war. Doch ich habe den Kopf nicht in den Sand gesteckt und es bei der nächsten Fluggesellschaft versucht…

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