Nachdem ich am ersten Tag in New York bereits deutlich mehr gesehen und gemacht habe, als eigentlich geplant war, wollte ich den zweiten Tag etwas ruhiger angehen und mich von den doch merkbaren Strapazen der Reise erholen. Außerdem waren für Mittwoch 32 Grad Celsius vorhergesagt gewesen, das Apartment klimatisiert, also fügte sich eins zum anderen, dass ich erst gegen 16 Uhr die Motivation hatte, jenes groß zu verlassen. Das Ziel hatte sich eher spontan durch einen Jodel ergeben und hörte auf den Namen One World Trade Center. Vermutlich sind da historisch alle in die Geschehnisse von 9/11 eingeweiht, deshalb überspringe ich diesen Part an dieser Stelle mal.
Die Subway
Auf jeden Fall ging es nach dem vertraut machen mit der Apartment-Küche, dem Kochen eines Brunches und dem Fertigstellen des ersten Blogeintrags erneut auf ins Getümmel der New Yorker Subway. Bevor ich mich auf den Bahnsteig begeben konnte, musste ich mir erst einmal meine MetroCard aufladen, beziehungsweise aus ihr eine 7 Tages-Karte machen, da ich im Internet gelesen hatte, dass das geht (also, dass man auf der Karte gleichzeitig Geld und eine Dauerkarte haben kann). Der Automat war hier leider anderer Meinung und so musste ich mir dann eine zweite MetroCard kaufen, die nun als 7-Tages-Karte fungiert. An sich kein Problem, jedoch kostet jede MetroCard $1, während das Aufladen selbst umsonst ist. Das erledigt musste ich mich erst orientieren, denn ich war mir nicht sicher, ob ich wieder richtig stand (und es gab höchstens im Kopf ein Licht, was dann anging), da es auch bei dieser Subway-Station für jede Fahrtrichtung auf der Straße unterschiedliche Eingänge gab. Das heißt, in dem Moment wo man die Treppe nach unten betritt, legt man sich auf die Fahrtrichtung fest (oder man latscht wieder hoch, über die Straße und wieder runter). Im Gegensatz zum Flughafen stand ich tatsächlich auf der richtigen Seite in Richtung Manhattan, hatte die Subway aber gerade abfahren sehen, als ich meinen Krieg mit dem Ticketautomaten gewonnen hatte. Wie schon mal erwähnt, sind die Subway-Stationen nicht klimatisiert, es war also sehr angenehm, dort auf die nächste zu warten – nicht. Das dauerte insgesamt gefühlt auch über fünf Minuten und wurde leider nicht angezeigt, denn Abfahrtsmonitore oder ähnliches gibt es nicht und irgendwie fing ich hier richtig an die Londoner Underground zu vermissen, einfach auch weil ich die Subway weiterhin ziemlich hässlich fand.
Nachdem die Bahn dann erschienen war, vergingen drei Stationen bis zum Erreichen der Chambers St. Drei Stationen deshalb, weil es in New York lokale und Express-Linien gibt und die Linie A zur Express-Linie gehört. Express bedeutet, dass die Linie nur an wenigen Stationen hält, während die parallele lokale Linie (in diesem Falle C) an jeder Station hält. Man könnte jetzt erwarten, dass es bei den Stationen Haltegleise gibt, sodass hier überholt werden kann, aber tatsächlich hat jede Linie für die gesamte Strecke ihr komplett eigenes Gleis. Von oben betrachtet sind die Gleise der Express-Linie in der Mitte und die der lokalen rechts und links außen davon. An einer Station, wo nur die lokale Bahn hält, sind die Bahnsteige dann außen, bei beiden gibt es pro Richtung dann einen Mittelbahnsteig. Ganz kompliziert wird das dann noch an der Nostrand Avenue, wo ich ein- und aussteige, weil das (laut Wikipedia) die einzige Station ist, in der die lokale Linie wie auch die Nachtzüge (zwischen Mitternacht und 6 fahren die Express-Linien wie die lokalen und die lokalen gar nicht) in einer anderen Ebene, nämlich unter der Express-Linie hält. Wenn man also zwischen zwei Stationen fahren will, wo sowohl Lokal- wie auch Express-Linien halten, dann ist man in diesem Falle aufgeschmissen, sich im Voraus zu entscheiden auf welche man wartet oder beim Hören eilig den Bahnsteig zu wechseln, denn es gibt ja keine Abfahrtsmonitore.
Der größte Witz zumindest bei meinen Linien A/C ist dann aber auch noch, dass (laut) Google Maps die Express-Linie zum Beispiel im Fall zum One World Trade Center, also zur Chambers St Station nur an fünf Haltestellen hält, die lokale an acht, die lokale am Ende aber nur eine Minute länger fährt wie die Express-Linie. Insgesamt finde ich, gewohnt an die Victoria Line in London, die Geschwindigkeit der Subway ziemlich komisch, was diese Konstellation auch erklärt.
Eine Sache, die mir während der Überlegungen dann auch noch aufgefallen ist (die jetzt aber absolut nichts mit dem Subway-System zu tun hat) ist die, dass Männer hier lange Hosen tragen. Egal ob Business oder nicht, egal ob 35 Grad oder nicht, ich habe in den Momenten wo ich darauf geachtet habe, nur einen Menschen außer mir mit kurzen Hosen gesehen – und das war ein asiatischer Touri. Und ich verstehe nicht wieso man sich das antut, weil mir persönlich war schon die kurze Hose, die hier noch bis zu den Knien ging, also für europäische Verhältnisse eigentlich sehr lang und schwer aufzutreiben war, zu lang.
Das One World Trade Center
Genug Gedankenkrams: Irgendwann bin ich dann an der Chambers St angekommen und ausgestiegen und den Schildern zum 9/11 Memorial folgend vor dem One World Trade Center angekommen. Also fast. Denn hatte ich die Subway in Brooklyn bei strahlendem Sonnenschein betreten, hatte ich sie in Manhattan bei arg dunklem Himmel wieder verlassen und dieser Himmel ließ nicht sonderlich lange auf sich warten, ehe er sich bemerkbar – oder besser gesagt fühlbar machte. In Anbetracht der Wettervorhersage, die für meine gesamte Zeit in New York strahlenden Sonnenschein bei 25-30 Grad vorhergesagt hatte, fand ich diesen kleinen Weltuntergang sehr metaphorisch passend zur Stelle, an der ich mich gerade befand. Also ging es wieder ein paar Meter zurück Schutz suchen um nur ein bisschen nass zu werden. Dabei konnte man zwischen den Wolkenkratzern stehend das faszinierende Treiben der New Yorker bei Regen beobachten, wie sie panisch fast schon um Hilfe eilen, sich mit allem möglichen vor den bestialischen Regentropfen des Todes zu schützen versuch- Moment, falscher Film 😀
Tatsächlich etwas aufgeregt hatte ein Typ, der in der Ecke Klamotten verkaufte und sie vor dem Regen ebenfalls da in der Nähe schützen wollte. Er meinte sich durch ein lautes, bestimmtes und wiederholtes „Excuse me!“ das Recht zu nehmen, den Passanten indirekt von der Stelle drängen zu dürfen um dort den Kleiderständer anzulehnen. Der Passant hatte sich nach einem Wortwechsel mit dem Verkäufer beim direkt neben ihm stehenden Security-Mann beschwert, dass er in der Situation nichts getan hatte, was dieser jedoch fast kommentarlos und unbeeindruckt stehen ließ.
Den Regen überstanden ging es dann etwas später als geplant tatsächlich zum One World Trade Center. Dort wollte ich mich irgendwo mit einem Jodler treffen, der das eigentlich erst vorgeschlagen hat und wir versuchten auch länger hinweg uns irgendwie zu finden, doch irgendwie scheiterte das (auch wenn ich am Ende mir nicht ganz sicher bin, ob er nicht zufällig mal fast neben mir saß, mich auch wahrnahm, aber nicht viel mit mir zu tun haben wollte). Wie dem auch sei, hatte ich das Ticket bereits online gekauft, wobei die Schlange eigentlich nicht existent war, der Online-Kauf war auch nicht günstiger. Es ging nach einer Sicherheitskontrolle zunächst durch einen kleinen Gang, auf dem rechts verschiedene Stimmen zum Bau zu hören und zu sehen waren, ehe man mit einem Aufzug nach oben in den 102. Stock geschossen wurde, was bei der gefühlten Dauer gar nicht mal so übertrieben ist. Die Fahrt nach oben wurde aber auch durch die Besonderheit des Aufzugs zum Erlebnis, denn alle Seiten außer der mit der Türen waren Bildschirme, auf denen in einer 270 Grad-Ansicht mit der Höhe des Fahrstuhls die Entwicklung New Yorks in einem Mini-Film dargestellt wurde, wobei die Stadt wuchs, während man nach oben fuhr. Der Film endete oben im 102. Stock, in welchen man als Besucher hin konnte und wollte und nach einer kurzen Wartezeit gab es zunächst einen kurzen Film auf einer riesigen breit gestreckten Leinwand, die irgendwann aber nach oben ging und einen Ausblick auf New York ermöglichte – na ja zumindest einen kurzen, denn die Leinwand kam relativ schnell wieder zurück. Eine finale Präsentation später befand man sich dann auf der Aussichtsplattform. Oben angekommen war es noch ziemlich hell (gegen 18:40) und man konnte New York von jeder Seite genießen und auch die Straßen direkt unter einem beobachten. Es war an sich ein sehr genialer Ausblick, auch wenn es etwas bewölkt und dunkel war, doch langsam wandelte sich der Tag in die Abenddämmerung und in die Nacht. Dank der Bremslichter konnte man beobachten, wie der Verkehr zunahm und wo sich Staus bildeten, während Menschen nun schwieriger zu erkennen waren. Es war insgesamt eine Mischung aus dem Miniaturwunderland (Verlinkung auf den dazugehörigen Blogeintrag wird hoffentlich nachgereicht, sofern dieser nachgereicht wurde ^^) und SimCity und es war ein so schöner Ausblick, dass ich gar nicht so wirklich weiß, was ich hier noch zu schreiben soll…
Das 9/11 Memorial
Gegen 20 Uhr schloss das One World Observatory, wie die Aussichtsplattform eigentlich hieß und ich machte mich über den Bildschirmaufzug auf den Weg zum 9/11 Memorial um die Ecke (ich war dort schon kurz vor dem Aufstieg nach oben, aber so herum passt es hier besser). Dieses (ich gebe zu, ich hatte mich hierfür nicht vorbereitet und wusste zwar, dass es eins gibt, aber nicht wie es ausschaut), war ein großes schwarzes rechteckiges Loch mit den Umrissen des Gebäudes, welches früher an genau der Stelle stand. Außen war ein schwarzes Geländer, auf dem die Namen alle getöteten Personen eingraviert waren und welches von innen aus beleuchtet wurde. Im Loch selbst wiederum lief von allen vier Seiten wasserfallartig Wasser rein, welches sich in einem kleineren ebenfalls rechteckigen Loch sammelte. Das Rauschen des Wassers war das einzige, was man wirklich wahrnahm und es blendete die Gespräche drum herum wie auch den nur wenige Meter entfernt einsetzenden Berufsverkehr von Manhattan nahezu komplett aus. Auch wenn ich zum Zeitpunkt des Anschlags fast sieben Jahre alt war und die Erinnerungen nur vage vorhanden sind, war es ein erdrückendes Gefühl, vor diesem riesigen Loch zu stehen mit der gleichzeitigen Vorstellung, dass an dieser Stelle mal ein Wolkenkratzer stand, der die Skyline von New York maßgeblich prägte. Ich ging einmal langsamen Schrittes um das Memorial herum, strich gelegentlich über die eingravierten Namen und sah bei einigen entweder Blumen oder gelegentlich auch eine amerikanische Flagge eingesteckt. Bei meinem Wahrnehmen und Realisieren, was hier geschehen ist und dem Versuch der Vorstellung davon musste ich an die Menschen denken, die es hautnah gesehen haben oder gar bei den Rettungsaktionen die Tage danach beteiligt waren. Letzterer Gedanke wurde insbesondere dadurch verstärkt, dass dieser Fleck der gefühlt am besten beschützte war, den ich je gesehen hatte: Unabhängig davon, wo man auf die andere Seite des Lochs oder um einen herum hinblickte, sah man entweder Police Officer oder Security-Leute; man merkte selbst über 15 Jahre nach der Katastrophe, dass diese selbst jetzt noch bleibende Spuren hinterlassen hat.
Nachdem ich einmal um das Loch herum gegangen war, machte ich mich auf in die südliche Richtung, denn die nicht zugebaute Fläche war dort noch ein wenig größer und ich wollte wissen, was es dort gab, was die Menschen dahinzog. Man muss an dieser Stelle erneut mein unvorbereitet sein anmerken, denn ich war fest von der Annahme ausgegangen, dass man – ich meine es ist mitten in Manhattan und damit ein sehr teurer Bereich – dem, was am 11. September geschah, ein Erinnerungsmahnmal hinterlassen hatte, die sonstige Fläche aber zugebaut hatte (sprich, auf der Fläche des einen Gebäudes stand heute das One World Trade Center). Diese Annahme wurde mir nach wenigen Schritten rasch widerlegt, denn ich sah ein zweites poolartiges Loch, welches genauso aufgebaut war wie das erste und genauso rauschte. Es war nur wenige Meter vom ersten entfernt, aber durch Bäume und Sitzbänke auf unscheinbare Art und Weise voneinander getrennt. Es sorgte noch einmal und auf verstärkte Art für dieses Realisierungs- und damit verbunden ein Gänsehautgefühl, weshalb ich erstmal kurz stehen blieb, weil ich von der oben genannten Annahme eigentlich fest überzeugt war und dies gerade nicht in meinen Kopf reingehen wollte. Was aus meinem Kopf jedoch rausgehen wollte, waren ein paar Tränen, deren Bildung ich in meinen Augen deutlich merken konnte, wogegen ich aber nichts machen konnte oder wollte – zu unerwartet war dazu der Fakt dieses zweiten Lochs, nachdem man die Existenz des ersten fürs erste zumindest hingenommen hatte.
Auch um das zweite Loch kreiste ich einmal herum, las teilweise die eingravierten Namen und streifte gelegentlich mit den Fingern über jene. Im Gegensatz zum ersten schienen hier in erster Linie Hilfskräfte und Einsatzleute bedacht worden zu sein, denn des Öfteren fand ich außer den nach innen gravierten Namen auch nach außen stehende goldene Buchstaben, die ich mir als Bezeichnungen von irgendwelchen Einheiten erschlossen hatte (leider fallen mir keine mehr ein), zudem gingen um das südliche Loch mehr Polizisten, wobei dies lediglich ein Zufall gewesen sein kann. Gefühlt war das zweite Loch auch größer als das erste, zumindest kam es mir der Weg drum herum länger vor, aber ich hatte zugegebenermaßen kein wirkliches Zeitgefühl mehr an dieser Stelle (um ehrlich zu sein, hab ich das seit August, spätestens seit dem ersten Tag hier nicht mehr, aber andere Geschichte).
Gegen viertel vor neun machte ich mich dann auf den Weg zurück nach Hause. Dass ich den Jodler, sofern er denn wirklich da war, nicht getroffen hatte, fand ich in diesem Moment nicht allzu schlimm, es hätte jetzt einfach nicht gepasst, groß etwas zu unternehmen. Nach einem kleinen Irrweg durch die Straßen von Manhattan fand ich die richtige Treppe zur Subway-Station, direkt das richtige Gleis und auch den richtigen Zug zurück ins Apartment. Auf dem Weg dahin stiefelte ich noch kurz bei Burger King rein und nahm mir was kleines zu essen mit: Ich hatte 10 Chicken Nuggets für $1,49 bestellt, hatte im Voraus schon Zeit mein Kleingeld vorzubereiten, um passend zu zahlen (die Vierteldollar-Münzen verwirren mich ja so dermaßen), bis mir der Verkäufer dann auf einmal den Betrag von $1,62 an den Kopf warf. Auf dem Kassenbon (das funktionierte hier wie in London beim McDonald’s, es gab eine Schlange fürs Bestellen und eine fürs Abholen) waren zusätzlich noch 8% tax vermerkt, die diesen Preis ergaben, was bedeutete, dass draußen mit dem Nettopreis geworben wurde – in diesem Moment vermisste ich ein bisschen Europa, wo so etwas gar nicht möglich gewesen wäre.
Nach wenigen Minuten waren die Nuggets fertig, sodass ich mich auf den finalen Weg ins Apartment machen konnte, ehe ich das Essen verputzte und mich ins Bett lag. Eigentlich wollte ich da noch diesen Blogeintrag schreiben, aber ich war zu müde, weshalb das wieder auf den nächsten Morgen verschoben werden musste…