Wie schnell die Zeit doch nur verfliegt: Im September letzten Jahres habe ich noch an meiner Bachelorarbeit geschrieben, dann kam der Jobwechsel und nun – nun ist es genau ein Jahr her, dass ich zum allerersten Mal geflogen bin. Wenn ich an meine Angst denke vor dem Entschluss, den Schulungsvertrag zu unterschreiben oder doch in der IT zu bleiben, muss ich sagen: War zum einen berechtigt, zum anderen aber auch absolut nicht… Denke ich an meine Praktika zurück, dann hat mir keines davon so viel Spaß gemacht, wie ich in der Fliegerei nach einem Jahr immer noch habe, was teilweise die Kollegen ansteckt – zumindest den Passagieren gegenüber, wenn man am Ende eines Nachtfluges noch 200 Mal Käsebrot oder Kuchen und dazu meist einen Kaffee – schwarz, oder mit Milch und Zucker? verteilen darf.
Es ist schön von einer Kollegin, mit der man sich gut versteht und über ein halbes Jahr nicht mehr geflogen ist, zu hören, dass man Kollegen und Gästen gegenüber offener geworden ist. Letztendlich war das meine Angst, die ich hatte und gleichzeitig auch die Chance, die ich mit dem Berufswechsel gesehen habe. So gesehen bereue ich den Schritt absolut nicht, denn ich habe auch vieles über Geduld und Zeitgefühl kennenlernen können: Dies betrifft dabei nicht nur den Job an sich, sondern das tägliche Leben. Früher hätte ich nicht mit Verständnis beim Arzt gewartet, wenn es mal morgens um 8 Uhr ne halbe Stunde im Wartezimmer dauert. Oder mit aller Ruhe dagestanden, wenn die ältere Dame an der Kasse in ihren Münzen gräbt um passend zu zahlen (hach Barzahlung ❤ 😀 ). Denn ich habe durch den Wechsel der Perspektive gelernt, wie relativ Zeit sein kann. Als bestes Beispiel das Abräumen des Essens: Das machen wir im Flieger im Endeffekt direkt nach dem Verteilen der Getränke und Verkaufen von Snacks etc. Direkt ist dabei relativ, denn während wir zwischen Essen – Getränke – Abräumen teils nicht mal eine Pause zum Durchatmen machen, vergehen für die Passagiere mitunter mal 30 Minuten, wenn man am Anfang seines Bereichs eine sechsköpfige Großfamilie hat, die für jeden einen Burger samt Getränk bestellt, bei dem jedes Kind erst überlegen muss, als ginge es um die wichtigste Frage im gesamten bisher vergangenen Leben (was für die Kinder eventuell ja auch der Fall sein mag).
Worüber ich nach einem Jahr dann doch ein wenig besorgter bin ist darüber, was ich meinem Körper damit eigentlich antue. Dabei meine ich nicht das Arbeiten in der Luft oder die Anstrengung, und auch nicht die Nachtflüge, sondern in erster Linie die dauernde Zeitumstellung, die nicht nur dafür sorgt, dass ich eigentlich kein Zeitgefühl mehr habe (bezogen auf Wochentage, aber auch Monate), aber auch meinen Schlafrhythmus vor wirklich anstrengende Proben stellt, wenn man in 12 Tagen dreimal in Jamaika bzw. Kuba ist und dazwischen noch zwei Tage Weihnachten feiern soll.
Die Erlebnisse sind es dann aber wert, auch wenn ich All-Inklusive-Hotels und Stränden gegenüber sehr abgestumpft bin (außer es geht um Sonnenauf- oder untergänge). Ich hab (fast) den Lion’s Head bestiegen, morgens um 7 nach nem Helikopter-Flug im Grand Canyon mit Sekt angestoßen, Safaris in Namibia gemacht, Silvester nur knapp in der Luft gefeiert, Stille Nacht auf dem Weg zum Strand in kurzer Hose erlebt, im Juni bei 0 Grad-Abendtemperatur Glühwein getrunken und war insgesamt dreimal in fünf Wochen in Las Vegas (da habe ich bei 9 Stunden Zeitunterschied am meisten Mitleid mit meinem Körper).
Das wichtigste, was ich in dem Jahr – in der Schulung, im eigentlichen Fliegen, im Umlauf bei Unternehmungen, aber auch jeden Tag – gelernt habe: Ich kann doch mit Menschen umgehen, es ist nicht so schwer. Manchmal bin ich zwar immer noch etwas träge, auf andere zuzugehen, aber ich mache es deutlich selbstbewusster als noch vor einem Jahr. Und trotz allerlei Schwierigkeiten mit technischen Dingen, spontanen Flügen, Proceedings nach und Bereitschaftsdiensten in München muss ich tatsächlich sagen, ich liebe den Job egal wie anstrengend er ist. Denn auch wenn es auf jedem Flug einen oder mehrere nervige Passagiere gibt, so gibt es auch immer die, die einem positiv in Erinnerung bleiben. Und so schön das Erkunden von Las Vegas, der Dominikanischen Republik und Co. auch ist, so ist es ganz ehrlich eben jenes positive, jenes direkte Feedback der Gäste, welches jedes Mal aufs neue ein Lächeln in mein Gesicht zaubert, wenn ich mich auf den nächsten Flug vorbereite ❤