Tagesausflug in den Winter: Mit dem Minicamper in Titisee-Neustadt und der Schweiz

Anfang Februar stand für Franzi und mich fest: Es wird Zeit für Winter. Da der weiße Winter im Jahr 2022 nicht mal irgendeine Form von Anstalten machte, um im Rheinland Hallo zu sagen und zu uns zu kommen, mussten wir also zum Winter kommen. Gesagt getan halfen uns die Seite von kachelmannwetter.com und windy.com schneereiche Gebiete ausfindig zu machen, die wir mit dem Minicamper ansteuern konnten. Viel gab es da nicht unbedingt, in näherer Umgebung bot nur das Sauerland um Willingen herum einige Zentimeter Schnee für das Wochenende Mitte Februar, jedoch haute das Ziel mich persönlich nicht wirklich um – auch weil ich da sonst eigentlich primär zum Skispringen hinfahre, wenn es denn Corona-bedingt nicht ohne Zuschauer stattfindet. Weitere Ziele, in denen Schnee lag umfassten abgesehen von einem Fleck nordwestlich von Bad Kissingen Orte in Tschechien oder den Alpen, wobei hier selbstverständlich eine lange Anfahrt in Kauf zu nehmen wäre. Und es gab den Schwarzwald bei dessen genauerer Betrachtung ich über das Örtchen Hinterzarten gestolpert bin, seines Zeichen Heimat des bekannten Skispringers Sven Hannawald. Ganz in der Nähe befand sich Titisee-Neustadt und damit war das Ziel dann festgelegt und es konnte mit genug warmer Kleidung im Gepäck auch schon losgehen.

Zumindest in der Theorie, denn vorher musste Antje noch sauber gemacht werden. Antje – auf jenen Namen hört mein orangener VW Caddy mittlerweile – wurde von mir am Anfang der Woche durch Schneeregen auf der A61 zwischen meiner Heimat und Koblenz herumkutschiert und sah dementsprechend schlimm aus. Da ich aber bereits am Dienstag in der Waschanlage war, wollte ich zunächst den Versuch wagen, an jenem Samstag die Fenster des Autos von Hand sauber zu machen, da ich wusste, dass nach einem Trip in die Berge eine erneute Wäsche anstehen würde. Mit dem Fensterputzversuch sahen die Glasscheiben aber noch schlimmer aus, daher musste Antje nun doch noch einmal in die Waschstraße und gegen 17 Uhr – also fast zwei Stunden später als geplant – konnten wir Krefeld in Richtung Süden verlassen, nachdem wir uns bei mir zu Hause noch mit etwas aufgeheizter Tiefkühlkost gestärkt haben.

Der Anfang der Strecke führte uns über die A1 an Köln vorbei zur A61, der wir zunächst einmal bis Emmelshausen (südlich von Koblenz) folgten, ehe wir dort kurz vor Ladenschluss noch ein paar Lebensmittel und Getränke erwarben, damit wir am darauffolgenden Sonntag reichlich zu Essen hatten. Anschließend ging es die A61 weiter bis zur A6 und A5, die uns bis Freiburg im Breisgau brachte. An sich kein sonderlich spannender oder erwähnenswerter Abschnitt deutscher Autobahnen an einem Samstagabend, für mich aber sehr wohl: Denn in Emmelshausen tauschten wir die Sitze und das erste Mal, seitdem ich ein Auto besitze, durfte ich für eine längere Strecke entspannter Beifahrer sein. Allgemein bin ich über die mittlerweile fast 10 Jahre, die ich nun ein Kraftfahrzeug mein Eigen nenne, sehr selten Beifahrer in meinen drei Autos gewesen. Darüber hinaus geschah dies so ziemlich immer nur deshalb, weil ich so gütig war, mir vertraute Fahranfänger fahren zu lassen oder weil ein Mechaniker eine Probefahrt nach einer Reparatur durchführen musste. Ansonsten war ich immer selbst der Fahrer – was mich per se auch nicht störte, denn dafür fahre ich zu gerne. Aber manchmal gerade auf längeren Strecken nervte mich das doch etwas, dass nie jemand dabei war, der genauso gerne fuhr wie ich. An jenem Samstag war dies aber anders und so konnte ich mich nach dem ersten Einfinden von Franzi in das große Auto entspannt zurücklehnen – soweit das in Antje möglich ist – und die Fahrt in Richtung Schwarzwald genießen.

Auf der Autobahn...

Ein paar Stunden Asphalt, Tempomat und Anhimmelei später verließen wir die A5, durchfuhren die eigentlich recht schöne, aber auf 30 km/h begrenzte Ortsdurchfahrt von Freiburg und folgten der B31 bis nach Titisee. Da es bereits nach 22 Uhr war, konnten wir den See nur noch erahnen und steuerten den Parkplatz an, den ich als potenziellen Übernachtungsplatz während der Fahrt gefunden hatte. Der Stellplatz war im Endeffekt ein ziemlich offener Parkplatz östlich vom See, aber er war ein paar Meter von der Straße entfernt und wir beschlossen nach einem kurzen Auskundschaften der näheren Umgebung und dem Genießen dieses ganz besonderen Geräuschs, wenn man durch Schnee stapft, dort zu bleiben und bauten ziemlich zügig das Bett auf und legten uns schlafen. Auch wenn die Temperatur ins negative ging, wollten wir zunächst auf die Standheizung verzichten, mussten um 3 Uhr morgens aber feststellen, dass das doch nicht so die beste Idee war, da unseren Köpfen ziemlich kalt war – der Rest war unter zwei Decken gut gewärmt.

Ein langer Spaziergang durch den Schnee

Trotz abdunkelnden Vorhängen waren wir bereits um kurz nach sieben Uhr wach und hatten dabei so viel Glück mit dem Wettergott, dass wir bei einem wolkenfreien Himmel den Sonnenaufgang genießen konnten, ehe wir uns mit Kaffee, Tee und einem leckeren Frühstück stärkten. Auch wenn ich damit nicht gerechnet hatte, war so gut wie niemand auf dem Parkplatz, was die Morgenroutine deutlich vereinfachte, da man aufgrund der ersten Übernachtung im Camper in diesem Jahr nicht von einer Routine sprechen konnte.

Atemberaubender Himmel morgens um 7
Antje auf ihrem Parkplatz
Die Sonne sagt Hallo...
...und erstrahlt vollkommen zum Frühstück

Aber wir ließen uns alle Zeit der Welt und waren gesättigt und mummelig eingepackt um kurz vor 10 auf dem Weg nach Titisee. Bei dem strahlenden Himmel und der Sonne war der Schnee noch viel imposanter als nachts und es war fast zu schön, um wahr zu sein, wo man sich gerade befand. Der Weg in das Dorf, wie ich es nach dem Besuch nennen würde, ging für uns durch einen Wald und uns verwirrte ein wenig, dass wir sehr tief auf den See hinunterblicken konnten und demnach auch einige Höhenmeter bergab und – was noch schlimmer ist – später wieder bergauf mussten. Bei dem Stück bergab wollten wir uns allein an den Schildern orientieren, für diesen Fehler wurden wir aber auch gleich bestraft, indem wir eine Abbiegung verpassten und einen ordentlichen kleinen Umweg liefen.

Ein Wintertag wie im Himmel...
...kalt und gleichzeitig warm...
...überall Schnee...
...und wo sich mal die Sonne blicken lässt, sieht es aus wie im Bilderbuch.

Nichtsdestotrotz genossen wir die imposante Schneelandschaft im Wald mit dem blauen Himmel und der Sonne, die alle Meter mal ihre Strahlen durch die Äste der kahlen Bäume schickte. Dabei fanden wir dutzende Motive, die man so eins zu eins als Bildschirmhintergrund nutzen könnte und das ein oder andere Mal musste das sonst in der Hosentasche bleibende Handy seiner Funktion als Kamera nachgehen.

Erster Blick auf den Titisee von weitem...
...und dann von nahem

Nach rund einer Stunde in Titisee angekommen waren wir etwas ernüchtert von der Touri-Bummelmeile, da zumindest ich mit einer solchen dort nicht gerechnet hatte, rückblickend aber fast das ganze Dorf aus nichts anderem bestand. Für Sonntag 11 Uhr war diese Meile auch gut besucht und auch ich musste kurz zum Touri werden, um diesen Ausflug in Form eines Kühlschrankmagneten festzuhalten. Nachdem wir die ganze Meile erkundet und ein paar Minuten am zugefrorenen Seeufer verbracht hatten, beschlossen wir uns auf den Weg einmal um See herum zu machen. Darauf wurden wir durch ein den Seerundweg kennzeichnendes Schild aufmerksam, wir konnten es uns aber nicht nehmen lassen, uns hierfür ein kleines Reiseproviant in Form einer Tasse Glühwein mitzunehmen.

Der See war ganz schön zugefroren
Ein Schwarm voller Enten hat es sich trotzdem am Ufer gemütlich gemacht
An jenem "Trockensteg" haben wir es uns ein wenig gemütlich gemacht und die Sonne genossen
Die Bummelmeile von Titisee
Am Glühweinstand stand folgende etwas gruselige Figur ausgestellt :D

Der Seerundweg war laut Beschilderung sechs Kilometer lang und führte uns an dem eher unspektakulären Kurpark, einigen abseits vom Dorf liegenden edlen Unterkünften, dem Wendepunkt einer Loipe, einer Jugendherberge und einem geschlossenen Terrassencampingplatz vorbei. Während der Anfang des Weges an einer Landstraße und damit über asphaltierten und geräumten Gehweg führte, ging es ab der Jugendherberge eher am Wald entlang über einen leicht vereisten Weg, auf dem wir sehr viel Spaß hatten, unser Gleichgewicht zu wahren.

Ohne innere Wärme macht so ein Seerundgang doch keinen Spaß...
Der Kurpark in Titisee
Ein sehr "fanciges" Seminar- und Ferienhaus
Dieses Tor ist ohne Zaun wohl nur reine Deko

Glücklich und geschafft kamen wir wieder am Ausgangspunkt unserer Runde an, stärkten uns mit einer Banane und beobachteten dabei ein wenig die Leute, was aber schon den halben Tag über unser Hobby war und damit anfing, dass wir fast ein Touri-Foto „gesprengt“ hätten, als ein Herr ein Erinnerungsfoto von seinem Freund mit einem Schild der „Badestelle Titisee“ machte, anstatt das ein paar Meter weiter dafür vorgesehene künstlerisch verzierte Ortsschild zu verwenden.

Titisee - Stadt wie auch See - von der anderen Seite vom See
Ein beschwerlicher Weg zurück zum Parkplatz

Bei jener Bananenpause bewunderten wir dann wiederum die ganzen „coolen“ jungen Leute, die sich mit Sneakers und anderen so gut wie profillosen Schuhen auf den Seerundweg machten, während wir schon mit unseren Winterschuhen Schwierigkeiten hatten, auf beiden Beinen stehen zu bleiben.

Auf nach Neustadt

Aber irgendwann hatten wir dann genug von Touris und Titisee gesehen, also suchten wir den zweiten Teil von Titisee-Neustadt auf, Neustadt. Beide Stadtteile liegen einige Kilometer auseinander, sodass wir nun zuerst den ganzen Berg wieder hoch zu Antje stiefelten, wo insbesondere Franzi ihre nicht ganz wiedergekehrte Kondition nach der letzten Erkrankung hautnah erleben musste. Da wir uns dieses Mal einen Umweg gespart haben, kamen wir aber trotz des Weges hoch deutlich schneller auf dem Parkplatz an, welcher mittlerweile jedoch rappelvoll war. Das hinderte uns jedoch nicht daran, uns etwas frisch zu machen und in meinem Fall auch ein erneutes Mal die Wohnlampe wieder anzukleben, die im Laufe des Tages wieder abgegangen war. Jene Reparatur bei offener Schiebetür wurde dabei aus sicherer Entfernung etwas penetrant von einem anderen Besucher des Parkplatzes beobachtet.
Woran wir zumindest am Anfang jedoch gehindert wurden, war die Weiterfahrt, weil das Auto einer parkenden Dame scheinbar defekt war und der Abschlepper des ADAC am Anfang erst mitten auf dem kleinen Parkplatz sein Fahrzeug abstellte, um sich von der Lage ein Bild zu verschaffen, ehe er es dann irgendwie rückwärts wieder heraus manövrierte. Diese freie Bahn nutzten wir, um den Parkplatz zu verlassen und uns nach Neustadt zu begeben, wo wir zunächst einmal den Benzintank – zu damals noch vergleichsweise spottbilligen 1,689 Euro – wieder auffüllen mussten, weil wir sonst vermutlich mit der Standheizung nicht mehr über die Nacht gekommen wären. Anschließend begaben wir uns zur Hochfirstschanze, meinem kleinen Grund, warum ich – Franzi konnte sich beim Ziel nicht entscheiden und es war ihr egal, solange Schnee lag – mir genau diese Ecke für den Wintertagesausflug ausgesucht hatte.

Das Größenverhältnis Schanze - Mensch wirkt schon sehr imposant
Der Anlauf
Natürlich war Zeit für ein süßes Foto 🙈
Perspektive nach unten ins Tal

Als wir nach einer kurzen Extrarunde durch Neustadt aufgrund einer verpassten Kreuzung auf dem stummen Navi an der Schanze ankamen, war ich sehr überrascht davon, dass sie komplett offen war. Die Sperren und Einzäunungen für die eigentlichen Events waren scheinbar komplett mobil und abseits davon wurde die Anlage zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht genutzt, sodass sie ganz normal betreten werden konnte und der Auslauf von einer Familie als kleine Rodelbahn genutzt wurde. Also wagten auch wir uns auf die Anlage und waren von der Größe der Schanze mit ihrem Konstruktionspunkt (dem Wendepunkt des Landebereichs) von 125 Metern ein wenig überwältigt. Ich nutzte mein von meiner Mutter mir nähergebrachtes Wissen aus meiner Kindheit, um Franzi einen kurzen, sturzfreien Crashkurs zum Thema Skispringen und dem Ablauf eines Weltcups zu geben und als wir ein paar Fotos gemacht und wieder am Auto zurück uns überlegen wollten, was wir denn Essen würden, hatte ich die Lust, die offene Schanze auch einmal von oben zu sehen. Einige Überredungsmomente später (wir hatten nach dem Spaziergang zum und um den Titisee bereits 17.000 Schritte auf dem Zähler) befanden wir uns also auf der kleinen, metallenen und leicht zugefrorenen Treppe neben der eigentlichen Schanze auf den Weg nach oben.

Vom Absprungpunkt sieht das ganze noch viel beeindruckender aus, da herunter zu fliegen

Dort, also unter dem Absprung angekommen, konnten wir die Aussicht auf Neustadt nochmal ganz anders genießen und uns ein wenig in die Perspektive versetzen, die ein solcher Skispringer hat. Wir kamen dabei auch an der Startampel vorbei und hatten einen Blick auf den Turm, in dem die Wertungsrichter saßen und ich begab mich alleine noch ein Stück weiter an den Punkt, an dem die Trainer den Springern das Zeichen zum Springen gaben, womit der unten angefangene Crashkurs komplett war. Während Franzi unter dem Absprung blieb, wagte ich mich noch ein Stück weiter hoch zum besagten Trainerpunkt und dem eigentlichen Absprung, was einen noch epischeren Ausblick ermöglichte. Den Weg ganz nach oben, den zwei polnische Fans vor uns angetreten waren, bestritten wir aufgrund der Länge des Tages nicht, auch wenn ich im Nachhinein ein bisschen schade drum bin – aber auch ich wäre da an meine körperlichen Grenzen gekommen.

Nun galt es also den Rückweg wieder hinunter anzutreten und da entdeckte ich dann tatsächlich doch ein wenig Höhenangst in mir, da wir nun den doch ziemlich steilen Hügel vor uns und eine glatte Metalltreppe unter uns hatten. Ich habe den Weg zwar irgendwie wieder sicher hinuntergeschafft, mich aber ganz besonders am Anfang des Weges nicht sonderlich wohl gefühlt und den Blick ins Tal bei gleichzeitiger Bewegung eher gemieden, um mehr darauf zu achten, wo ich hintrete, um nicht aus Versehen den Halt unter den Beinen zu verlieren.

Abendessen im Klösterle

Am Auto angekommen musste insbesondere ich mich ein wenig erfrischen, wo hierbei zum ersten Mal in meinem Leben auch die wundersame Chemiekeule namens Trocken-Shampoo zum Einsatz kam, ehe wir uns nun konkretere Gedanken um das Abendessen machen konnten. Wir hatten für den Kurztrip Couscous mitgenommen und wollten jenes an einem der beiden Tage kochen, uns den anderen Tag jedoch für ein leckeres Essen freinehmen und da wir nach nun insgesamt 22.000 Schritten mehr als K.O. waren, beschlossen wir, bereits am Sonntag Essen zu gehen.

Den Wunsch nach entspannter, traditioneller Küche erfüllte uns nachfolgend das kleine, aber feine Restaurant s’Klösterle am Rande der Innenstadt von Neustadt, in welchem wir bereits kurz vor Eröffnung der Küche um 17 Uhr ankamen und daher mit einem Kaltgetränk nach Wahl alle Zeit der Welt hatten, um uns nachfolgend für ein Schnitzel Wiener Art sowie ein Cordon Bleu zu entscheiden. Beide wurden uns, garniert mit einem leckeren Salat, sehr zeitig von der Kellnerin mit einem niedlichen schwäbischem (hoffe, das war schwäbisch) Dialekt gebracht, die insbesondere Franzi sehr schnell in ihr Herz geschlossen hatte, als sie mir die Unterschiede der vier verschiedenen auf der Karte angebotenen Limonaden erklärte.

Ausblick nach Neustadt
Unser Abendessen "lecker" zu bezeichnen wäre mehr als nur untertrieben

Die Wartezeit nutzten wir darüber hinaus auch, um uns einen Plan für den weiteren Abend zu machen und uns für einen Schlafplatz zu entscheiden. Eigentlich wollten wir gar nicht großartig weiter in den Süden hinein und ich hatte bereits für den Tag davor in Rötenbach nur wenige Kilometer weiter einen Alternativschlafplatz herausgesucht, wäre der erste nichts gewesen. Während des Essens entschieden wir uns aber gegen Rötenbach und den langsam dahintauenden Schnee und beschlossen voller Begeisterung – vielleicht auch angefixt vom Dialekt der Kellnerin – den Weg weiter in Richtung Süden zu nehmen, um in die „echten Berge“ zu fahren: In die Schweiz.

Ein Spontanausflug in die Schweiz mit einem epischen Sonnenaufgang

Als wir pappsatt und glücklich das rustikale Lokal, indem sich die Schritte auf dem Holzboden mit Winterstiefeln anhörten und anfühlten, als würde man als Cowboy einen Saloon betreten, verließen, war es bereits dunkel. Wir hatten eigentlich nur knapp 130 Kilometer Fahrt vor uns, da wir in Deutschland wie auch der Schweiz Autobahnen meiden wollten, betrug die errechnete Fahrzeit rund zwei Stunden. Die Fahrstrecke führte uns dabei von Neustadt über Lenzkirch, die B500 bis fast an das Schweizer Koblenz, ehe wir nach einem Stück B34 in Laufenburg den Rhein und damit die Grenze passierten und in der Schweiz angekommen waren. Da ich meinen Ausflug dorthin als kleines Kind nicht mitzähle, war es für uns beide das erste Mal, dass wir die deutsch-schweizerische Grenze überquert hatten und so spontan das war, so begeistert waren wir beide davon, als wir mit SRF3 im Autoradio eingestellt unseren Weg abseits der mautpflichtigen Autobahnen suchten.

Als Ziel für die Nacht hatte ich – mehr ausnahmsweise als geplant in park4night – die Heilige Blutkapelle am Passwang gefunden, die einen camperfreundlichen Parkplatz zum Nächtigen anbot und den wir weitestgehend abseits der Bundesstraßen über die Strecke Eiken – Wegenstetten – Sissach – Diegten – Oberdorf – Langenbruck – Mümliswil-Ramiswil erreichten. Ganz besonders blieb uns dabei die Bennwilerstraße auf dem Weg nach Oberdorf rein in Erinnerung, schickte uns Google Maps hier über eine winzige Straße, die sich bergauf-bergab am Dorf vorbei entlangschlengelte und bei ich froh war, sie nachts zu fahren, weil man hinter den immer wiederkehrenden Hügelkuppen einen Scheinwerfer deutlich eher erahnen konnte, als dies bei Tag der Fall gewesen wäre. Und zwei Autos hätten hier nur an den wenigsten Stellen nebeneinander vorbeigepasst.

Wir müssten gegen 21 Uhr an der Kapelle angekommen sein (wie immer bin ich natürlich nicht früher dazu gekommen, diesen Blogeintrag zu schreiben und mittlerweile ist das nun vier Wochen her, meine Erinnerungen daher eher so na ja) und waren so fertig vom ganzen Tag, dass wir uns ohne große Umschweife direkt ins Bett schlafen legten, nur um am nächsten Morgen um kurz nach sieben wieder von einem Sonnenaufgang geweckt zu werden, der bilderbuchähnliche Ausmaße hatte, aber Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte:

Die Kapelle am sehr frühen Morgen
Eine etwas andere Fotoperspektive
Kurz vor dem Sonnenaufgang...
...und mittendrin

Nachdem wir die Schweiz mit diesem imposanten und fast schon majestätischen Anblick begrüßt hatten, wurde es wieder Zeit für ein leckeres Frühstück und, um sich ein wenig auf dem Platz umzuschauen, den wir den ganzen Morgen für uns allein hatten. Die 1974 zum Andenken an Anna Maria Brunner-Probst, ihres Zeichen „Gründerin der Schwesterkongregation vom kostbaren Blut Christi“ errichtete Kapelle war bereits im November für die Winterzeit geschlossen worden und ebenda galt auch für das Toilettenhäuschen, an welchem trotzdem ein Schild angebracht war, welches übernachtende Gäste um eine kleine Spende zum Betrieb des Platzes bat. Während es im Norden weiter hoch und im Süden weiter runter ging, erblickten wir in westlicher Richtung einige Rinder, die auf ihrer dortigen Weidefläche von uns wie auch von der Kulisse gänzlich unbeeindruckt grasten. Fußläufig war die Kapelle nicht ohne Umwege zu erreichen, denn es gab an der Passwangstraße keinen Fußweg und ob ich mich da an der Seite hochgetraut hätte, ohne die Angst, überfahren zu werden, weiß ich nicht.

Zur anderen Seite des Platzes ging es hügelig weiter...
...doch das störte die Rinder nicht im geringsten beim Grasen

Wenn man kein Auto besaß, dann gab es aber eine Bushaltestelle, an der die Linie 115 hielt, zumindest wenn sie denn fuhr: In der Woche passierte das nämlich nur stolze vier Mal am Tag, samstags alle zwei Stunden und sonntags stündlich. Ich glaube, das ist auch die erste Buslinie, die ich sehe und die am Wochenende häufiger fährt als in der Woche. Vielleicht auch gerade deswegen, aber auch mit dem Hinterkopf der Passstraße an sich hätte ich auf jener Linie 115 keinen normalen Linienbus, sondern vielleicht einen zum Kleinbus umgebauten Sprinter erwartet – wobei wir während der paar Stunden am Morgen auch den ein oder anderen LKW die Passstraße haben hochfahren sehen. Trotz des fehlenden Fußwegs direkt an der Straße bestand wohl die Möglichkeit, querfeldein den Weg nach oben zu bestreiten, was im Laufe des Frühstücks auch ein Herr mittleren Alters tat, der zudem auch interessierter an unserem Morgenkaffee/-tee schien als die Rinder.

Ein sportlicher Rückweg durch Frankreich und New York

Nach verspeistem Frühstück, aufgeräumter Antje und den letzten Fotos und Erinnerungen fuhren wir die Passwangstraße weiter hoch, um über Beinwil – Büsserach – Wahlen – Laufen – Burg im Leimental die schweizer-französische Grenze zu passieren und damit auch den Rückweg nach Hause anzutreten, da wir am darauffolgenden Dienstag beide arbeiten mussten. Vor der Abfahrt hatten wir kurz darüber nachgedacht, den spontanen Frühstücksausflug in die Schweiz mit einem noch spontaneren Nachmittagessen-Ausflug ans Mittelmeer zu machen, doch schien die Fahrstrecke bis dorthin insbesondere in meinem Kopf kürzer zu sein, als sie es tatsächlich wäre. Und sechs Stunden an die Mittelmeerküste, nur um dann fast direkt wieder zurückzufahren, waren die Fahrt dann leider doch nicht wert.

Der Weg durch die Schweiz war dann nicht mehr so sonnig...
...sondern eher regnerisch
Die Landschaft war trotzdem schön...
...und die kleinen Dörfer sehr süß
Kurz vor der Grenze kamen wir noch an einer Burgruine vorbei
Die Grenze zu Frankreich war sehr spektakulär :D

In meinem „Lieblingsland“ Frankreich verabschiedete sich dann auch der Wettergott an jenem Montag und wir fuhren zunächst wieder abseits der Autobahnen quer durch Land mit den Nord-Vogesen als Ziel, um dort Mittag zu essen. Die Strecke über die D23, D9B, D432, D68 und D466 hin bis Burnhaupt-le-Bas war nicht sonderlich spannend und die Dörfer, die wir hier passierten, konnten seinerseits meist nur dadurch hervorstechen, dass sie öfter mal deutsche Namen wie Hirtzbach oder Waldighofen trugen. Ansonsten war jedes Dorf seinem vorherigen und nachfolgenden ähnlich und für einen Montagvormittag wie ausgestorben. Auch Supermärkte gab es zumindest entlang der Hauptstraßen kaum, sodass wir primär vom weiterhin soliden Empfang des Schweizer Radios und dem Dialekt der dortigen Moderatoren unterhalten wurden, die passend zum Valentinstag sehr schmüselig unterwegs waren, was Franzi auf eine unfassbar treffende und putzige Art und Weise nachahmen konnte.

Die Strecke in Frankreich führte uns entlang der Vogesen...
...während das Wetter wieder aufklarte
Die französischen Dörfer waren beim Durchfahren sehr monoton...
...aber vielleicht hat die Bewölkung auch dazu beigetragen

Der sonst einzig erwähnenswerte Moment dieser ersten Teilstrecke, die nachfolgend über die dann vierspurige D83 bis nach Colmar führte, war eine kleine Baustelle in einem der Dörfer relativ am Anfang unseres Weges durch Frankreich, wo unsere Fahrbahnseite in Richtung Norden gesperrt war und der Verkehr abwechselnd über die aus unserer Perspektive Gegenfahrbahn in beide Fahrtrichtungen geführt wurde. Auf der gesperrten Spur waren die Bauarbeiter fleißig zugange und während wir als letztes Fahrzeug die Baustelle passieren wollten, wollte ein seines Zeichen eher ungeduldiger Bauarbeiter mit einer kleinen Straßenwalze das frisch geteerte Stück direkt neben der befahrbaren Spur walzen, wofür er aber auf jene befahrbare Spur fahren musste. Da Franzi die Strecke an jenem Tag gefahren ist, ich sie wieder nur als glücklicher Beifahrer angehimmelt habe und ihre Sympathie gegenüber den Franzosen genauso groß ist wie meine, ignorierte sie das Stop-Handzeichen des Walzenfahrers, da er auch noch den kurzen Moment hätte warten können, bis wir vorbei gewesen und die Straße leer wäre, wobei es dann fast zu einer Kollision gekommen wäre, hätte der Walzenfahrer nicht nachgegeben und sein Fahrzeug abgebremst. Seine Begeisterung über das Manöver drückte er in Form von wilden Handbewegungen in unsere Richtung aus, die wir im Rückspiegel aber weitestgehend ignorierten.

Colmar war auf dem Weg nur eine nebensächliche Stadt, die wir eigentlich auch nur über die D83 durchquerten, aber mit einem kurzen Zwischenstopp: Denn Colmar ist der Geburtsort von Auguste Bartholdi, einem Künstler und dem Erfinder der Freiheitsstatue in New York, die ja bekanntlich ein Geschenk der Franzosen war. Zu seinem 100-jährigen Todestag wurde 2004 in Colmar eine 12 Meter hohe Nachbildung des Originals errichtet, die einen sonst weitestgehend unbedeutenden Kreisverkehr im Norden der Stadt ziert und die ich durch Zufall auf Google Maps gefunden hatte. Also hielten wir auf dem benachbarten Parkplatz von einem Möbelladen und betrachteten als klassische Touris jene Statue und hielten sie auf dem ein oder anderen Foto fest. Gleichzeitig tat das kurze Vertreten der Füße nach fast drei Stunden Fahrt auch körperlich ganz gut.

Auf dem Weg machten wir einen besagten kurzen Zwischenstop in New York
Von weitem sieht der Ort sehr unscheinbar aus

Da sich die Landstraßen irgendwann doch anfingen zu ziehen und die Dörfer nicht spannender wurden, beschloss ich in meiner Rolle als Navigator, ab Colmar direktere Wege einzuschlagen und so folgten wir der vierspurigen und gut ausgebauten N83/A35 bis Oberehnheim (immer noch in Frankreich), ehe wir wieder etwas ländlicher unterwegs über Molsheim, Wasselonne, Marmoutier und Dossenheim-sur-Zinsel das Dörfchen Eschbourg in den Nord-Vogesen ansteuerten. Etwas abseits des genauso verlassenen Dörfchens gab es auf der Karte nämlich einen kleinen Picknickplatz, den wir bei mittlerweile wieder stürmischem Regen ansteuerten, um dort unser Mittagessen zu kochen. Bevor wir mit der Zubereitung der ziemlich gesunden Couscous-Pfanne begannen – was gleichzeitig auch Franzis erstes Mal Kochen im Camper war, in was sie sich aber sofort verliebte -, legten wir uns aber zunächst hinten einfach nur in Antje rein und lauschten den Wind- und Regengeräuschen.

Die Couscous-Pfanne war seeeeehr lecker
Jener Stellplatz war sehr windig aufgrund des freien Ausblicks

Der Picknickplatz lag nicht mehr wirklich im Dorf, sondern mehr in der freien Natur und man hatte einen ziemlich guten Ausblick auf Felder und Wälder in der weiteren Umgebung. Der erhobene Ausblick sorgte im Gegenzug dann wieder auch für den stark spürbaren Wind, der den Camper ordentlich durchschüttelte. Auf dem Platz gab es zwischen Bäumen einige Tische und unabhängig davon einige Bänke (warum auch immer). Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße war eine kleine teils in der Erde versunkene Behausung, die einige Kinder aus dem Dorf während unserer Essenszubereitung als Spielplatz nutzten, nachdem der Regen aufgehört hatte. Hinter jener Behausung stand eine einsame Mülltonne und diese ist der perfekte Moment in diesem Blogeintrag, um das Thema Toilette anzusprechen. Jene hat mein Camper bekanntlich nicht und so hält zumeist ein ruhiges Gebüsch oder ein Baum für das kleine Geschäft her, was für mich als Mann da aufgrund natürlicher Gegebenheiten eher weniger ein Problem darstellt und da ich mit Antje schon ein paar Tage und Nächte verbracht habe, auch nichts besonderes mehr ist, sonderlich eben im wahrsten Sinne des Wortes der natürliche Lauf der Dinge (höhö).

Für Franzi hingegen war das die erste Camper-Tour und damit auch die erste regelmäßige Begegnung mit dem Thema, doch irgendwann hatte sie sich so sehr dran gewöhnt, dass sie auf einem Rasthofs kurz hinter Colmar lieber ins Gebüsch gegangen wäre, anstatt die modernen Toiletten des Rasthofs aufzusuchen. Jene waren in den Bewertungen von Google Maps nämlich als modern, sauber und kostenlos betitelt und weil diese Kombination auf deutschen Rastplätzen und -höfen ja nicht existiert, wollte ich dem ganz bewusst nachgehen, sodass wir nach einer Extrarunde auf dem etwas labyrinth-artigen Rasthof die Bewertungen von Google Maps auch tatsächlich bestätigen konnten. Und nicht nur das, sondern es gab im Untergeschoss des Gebäudes, in dessen Erdgeschoss ein kleiner Supermarkt, ein Restaurant und eine große offene Spielfläche für Kinder untergebracht waren, auch noch kostenfreie Duschmöglichkeiten. So stellte dieser Rasthof an der A35 für uns im Endeffekt traurigerweise fast schon das Highlight des kurzen Abenteuers nach Frankreich dar.

Daher stellte – um wieder zurück zum Picknickplatz und dessen Mülltonne hinter der Behausung zu kommen – diese Mülltonne einen besonderen Ort dar, war sie nach der Wiese in der Schweiz der zweite Platz, an dem wir uns fast schon voller Freude gemeinsam fürs kleine Geschäft hinhockten. Es war auf jeden Fall ein sehr spaßiges Unterfangen und hat mich sehr gefreut, dass sich Franzi im Laufe der zweite Tage soooo schnell und soooo sehr mit dem Thema arrangiert hat…

Durch Luxemburg zurück nach Hause

Am frühen Nachmittag verließen wir dann den Platz bei Eschbourg in Richtung Heimat, wobei wir diesen Weg wieder nicht über die kürzeste Strecke zurücklegen wollten, sondern über Luxemburg, für was wir uns einen kleinen Nachtisch übriggelassen hatten. Und so durfte nun ich wieder am Steuer Antje vorbei an Saarburg, Château-Salins, Metz und Diedenhofen zur französisch-luxemburgischen Grenze manövrieren, was mir abgesehen von den Kreisverkehren auch einwandfrei gelang. Insbesondere am Anfang bereiteten mir die mehrspurigen französischen Kreisverkehre ein wenig Kopfzerbrechen, auch wenn das die vorherigen Stunden Fahrt bei Franzi ziemlich einfach aussah und sie ihren Spaß schlechthin daran hatte. Für mich waren sie bis zum Ende konzeptionell falsch und dämlich und ich war froh, als wir irgendwann nur noch Autobahn fahren mussten.

In Luxemburg hatten wir uns einen kleinen verlassenen See nordöstlich der Hauptstadt herausgesucht, wo wir fast bei Dunkelheit ankamen. Die Strecke in der Ballungsregion Metz-Luxemburg war durch das deutlich höhere Verkehrsaufkommen merklich weniger entspannend als noch die Landstraßen zu Beginn, was aber auch sicher dem montäglichen Feierabendverkehr geschuldet sein mag. Wir verspeisten auf jeden Fall unseren Nachtisch, machten einen kurzen, fast nassen Ausflug auf einen kleinen Steg an dem See und steuerten über die A1 die deutsche Grenze an, an dessen Übergang wir ganz vergaßen, dass das Benzin in Luxemburg günstiger ist als in Deutschland. Ein Umdrehen ergab rechnerisch aber keinen Sinn und so schlugen wir uns bei später Stunde über die B51, A60, A1 und A61 bis Bergheim bei Köln, wo wir noch eine relativ günstige Tankstelle fanden. Franzi nutzte die Zeit für einen halbstündigen Powernap und verpasste dabei leider die 70.000 km von Antjes Kilometerzähler, der Powernap war für die restliche Strecke aber von essentieller Bedeutung: Denn ich war mittlerweile so müde, dass ich die Dreiviertelstunde nicht mehr hätte fahren wollen – und glücklicherweise auch nicht habe fahren müssen, sodass wir nach einem Fahrerwechsel an der Tankstelle um kurz vor halb elf nach exakt 1.250 Kilometern unseren kleinen Wochenendausflug in den Winter beendeten und ich kurz darauf auch hundemüde ins heimische Bett fiel, wobei ich das Aufbauen des Bettes in Antje direkt vermisst habe…

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