Auf den Spuren der Dreistadt: Gdańsk und Sopot

Zur „Feier“ meines fertigen Studiums (dazu an anderer Stelle mehr) ging es für das lange Wochenende um den Tag der deutschen Einheit herum in die polnische Küstenstadt Gdańsk (Danzig). Der Weg hin führte mit meiner kleinen Knutschkugel aus dem Hause VW und als meist nette Gesellschaft hatte Melina irgendwie den Weg auf den Beifahrersitz gefunden… 😀

Autofahren in Polen – Ein Abenteuer für sich

Die Fahrt begann zwar auf Usedom, wirklich los ging es eigentlich erst nach der Fähre in Świnoujście (Swinemünde), wo wir Glück hatten und nur kurz warten mussten, ehe es zum ersten Mal mit dem eigenen Auto auf eine Fähre ging. Zehn Minuten später konnten wir uns dann in den ganz alltäglichen polnischen Straßenverkehr stürzen, mit dem ich gleich warm wurde – offenbar habe ich doch etwas vom östlichen Nachbarland Deutschlands geerbt, wenn es schon nicht der Alkoholkonsum ist. Bis Gdańsk waren es etwa 350 Kilometer und da Polen leider nur sechs Autobahnen hat und keine dieser auf dem Weg lag, dauerte die Strecke insgesamt sechseinhalb Stunden. Das tolle an den polnischen Bundesstraßen ist aber, dass es, auch wenn sie nur eine Spur pro Richtung haben, an der Seite einen halben Standstreifen gibt, den ich mittlerweile Überholhilfsstreifen getauft habe und auf dem Rückweg schon auf den ersten Kilometern auf Usedom schmerzlich vermisst habe. Denn der Streifen macht es einfacher, Fahrzeuge zu überholen, da diese ausweichen können. Sei es das überholende Fahrzeug oder das im Gegenverkehr, insgesamt kommt man aber zügiger voran, auch weil sich kaum jemand an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 90km/h auf einer einspurigen Straße außerorts hält. Die, die sich dran halten und das Überholprinzip selbst nach hunderten von Kilometern auf polnischem Boden nicht verstanden haben, haben fast immer ein deutsches Kennzeichen gehabt, wer hätte das kommen sehen.

Meine Knutschkugel unten das erste Mal auf einer Fähre

Trotz des rigoroseren Fahrstils im Nachbarland, den ich in Deutschland schon sehr vermisse, sind auf den gesamten 700 Kilometern hin und zurück nur drei Situationen im Kopf hängengeblieben: Zum einen gab es da den SUV-Fahrer, der schon von der Fähre aus die ganze Zeit halbe Schlangenlinien fuhr und wir aus Sicherheitsperspektive nur abwarteten, bis er die Mittelleitplanke streifte oder jemandem aus dem Gegenverkehr den Rückspiegel abfuhr. Weniger lustig war auf halber Strecke der ältere Herr im Gegenverkehr, der beschlossen hatte, eine 200m-Lücke zu unserem Vordermann reiche aus, um mehrere Autos auf seiner Spur zu überholen – blöderweise hatte die Landstraße hier keinen Überholhilfsstreifen, sodass trotz meines Ausweichens bis auf die vibrierende Linie am Straßenrand nur wenige Zentimeter fehlten, ehe unsere Rückspiegel ein Date hatten. Hingegen wieder unterhaltsamer waren drei jüngere Kollegen auf der Rückfahrt, als wir zwischen der Bundesstraße 3 und 6 rund 40 Kilometer auf einer toten Kreisstraße um kurz vor 21 Uhr fuhren. „Tote Kreisstraße“ bedeutet hier übrigens, dass es auf diesen 40 Kilometer ab und zu mal ein Dörfchen mit fünf Hütten gab, aber wenn es etwas passierte, dann hätte Hilfe ewig gebraucht. Wir fuhren den dreien die ganze Strecke hinter her, weil sie nahezu genau meinem Fahrstil entsprachen und ich es bei Dunkelheit und schlechten Straßen angenehmer und entspannter fand, ehe sie mit Warnblinkern in der Böschung anhielten. Nach kurzer Überlegung hielten wir auch an, um zu fragen ob denn irgendeine Panne wäre und man helfen könne, bis sich herausstellte, dass sie lediglich anhielten, um sich auf die Straße zu stellen und eine zu rauchen. Und sie standen wirklich ohne Warnwesten oder ähnlichem mitten auf der Straße und qualmten glücklich vor sich hin. Wäre der LKW, den wir zwischendurch überholt hatten, schneller gefahren und hätte die übersehen, na dann gute Nacht…

Die Strandparty

Gegen 18:30 kamen wir ohne sonstige große Vorkommnisse und mit einer kleinen Pause zwischendurch, weil jemand gaaaaanz viel Hunger hatte, bei unserer Unterkunft in Gdańsk an und ausnahmsweise war es mal nicht AirBnb, sondern die via Booking.com (huch gleich zwei Partner-Links, man bin ich böse heute) gebuchte „Willa Ela“. Für insgesamt drei Nächte bezahlten wir zusammen 113€ und bis auf das miese WLAN und die Matratze, die ihre goldenen Jahre schon hinter sich hatte, gab es an der Unterkunft nicht viel auszusetzen. Die etwas ältere Dame, die uns am Abend noch empfing und auch im Verlauf des Aufenthalts nach dem Wohlbefinden fragte blieb mir zumindest (sie konnte kein Deutsch und Melina kein Polnisch ^^) genauso positiv in Erinnerung wie das sehr sehr sehr gute Frühstücksbuffet, welches im Preis schon drin war und zu Fresskoma am Morgen nur einlud.

Den ersten Abend nutzten wir, um uns auf den Weg zum Strand zu machen, bei dem wir zwanzig Minuten später bei absoluter Dunkelheit dann auch ankamen. Auch wenn man ohne Taschenlampe nichts mehr sehen konnte und der Hafen aufgrund der Entfernung auf keinem Foto vernünftig aussah, war es nach sechs Stunden Motorbrummen schön, nur das Rauschen der Wellen der Ostsee zu hören und so ziemlich nichts zu sehen. Auf dem Rückweg kamen wir an einer Pension/Restaurant vorbei, die zwischen den offen stehenden Bierbänken eine Tanzfläche im Dunkeln eingerichtet hatten, zu deren Betreten ich mich nach dem Anstoßen auch tatsächlich überreden ließ. Musikalisch lief dort primär polnische Pop-Musik, ich schätze eine Mischung aus allem der letzten 20/30 Jahre und hier und da auch mal was internationales (u.a. Despacito). Der Ausflug nach Gdańsk stellte dabei mein erstes Mal in Polen so ganz ohne Verwandte dar und trotzdem musste ich bei der Musik mir vorstellen, wie meine Mutter hier ihren Spaß gehabt hätte, was ich irgendwie schön fand.

Ein unfassbar toller Strandspaziergang

Irgendwann wurde es aber trotz der Bewegungsversuche kalt, sodass wir wieder unsere Füße in die Hände nahmen und uns auf den Weg zur Unterkunft machten, wo uns nach dem Schlaf ein unfassbar gutes Frühstück begrüßte, was ich vorher noch nicht erwähnt hatte. Anschließend ging es Geld wechseln und wir nutzten das schöne Sommerwetter zu einem erholsamen Mittag am Strand. Man möge zwar meinen, dass die Ostsee Anfang Oktober schon kalt sei, aber zumindest mit angezogenem Pullover war es für mich kein Problem mit Badehose im Wasser zu verschwinden, was sonst während der zwei Stunden höchstens sechs andere Menschen getan haben. Einer schwamm dabei sogar soweit raus, dass wir irgendwann anfingen zu überlegen, ob er denn von jemandem in Schweden erwartet werden würde. Alle anderen Strandbesucher waren eher zu einem Herbstspaziergang da oder um ihr supermegaschickes Outfit auf irgendwelchen überhaupt nicht gestellten supermegaschicken Fotos für Instagram und Co. in Szene zu setzen.

Strandperspektive vom Steg in Sopot aus
Meerperspektive vom Steg in Sopot aus; rechts der kleine Hafen und hinten Gdańsk

Als es irgendwann aber zu kalt fürs weitere Herumsitzen wurde, beschlossen wir einen kleinen Strandspaziergang zu machen. Das Ziel war der Steg (polnisch „molo“) in Sopot, neben Gdynia und Gdańsk der dritten der Dreistadt an der polnischen Ostseeküste. Der Steg deshalb, weil er dort einer der schönsten sein sollte und auf dem Weg auch die ganze Zeit zu sehen war, denn es waren nur knapp drei Kilometer durch Sand, Strand, Wellen und Muscheln. Nachdem wir es irgendwann geschafft hatten, genossen wir wieder festes Schuhwerk und festen Boden auf dem Holzsteg, der in der Hauptsaison Eintritt kostet und abends sicher besonders schön aussehen muss. Anschließend schlenderten wir ein wenig durch die Fußgängerzone der in Polen insbesondere durch (Comedy-)Festivals bekannten Stadt, trafen auf einen jungen Straßenkünstler, der mit einem brennenden Stab lockte, statt einer Feuershow aber „nur“ Zaubertricks vorführte.

Der Leuchtturm von Sopot (Zoppot)
Das schiefe Haus in Sopot versteckt hinter Bäumen

Für den Rückweg nahmen wir dann aber die Regionalbahn, die für zwei Tickets (einmal Student) und zwei Stationen insgesamt 4,75zł kostete, was etwa 1,15€ entspricht. Dafür bekommt man in Bonn gerade noch eine Kurzstrecke als Kind, wenn ich mich nicht täusche. Nach einem kurzen Einkehren in einen Supermarkt suchten wir uns fürs Abendessen etwas in der Umgebung der Unterkunft, denn zumindest ich liebe polnisches Essen mehr als alles andere, insbesondere hausgemacht, und da ein Fresskoma davon zu tragen ist das einfachste überhaupt. Wir entschieden und letztendlich für das Restaurant namens „Grulle“, bei dem Ofenkartoffeln gab, die mit unterschiedlichsten Sachen gefüllt wurden. In meinem Falle die klassische polnische Variante bestehend aus polnischer Wurst, Zwiebeln, Speck und Spiegelei:

Ofenkartoffel in der "Grulle"

Sightseeing in Gdańsk

Nachdem wir nach dem Fresskoma bereits um kurz nach 20 Uhr den Weg ins Bett fanden, ging es am nächsten Morgen etwas früher aus den Federn, denn nach dem Frühstück am zweiten Tag wollten wir etwas die Innenstadt erkunden. Dafür trafen wir um 10:34 bei der mit halb elf gelisteten Free Walking Tour-Gruppe ein und ließen uns insgesamt zweieinhalb Stunden von der Führerin etwas über die verschiedenen Elemente der Stadt erzählen. Im Vergleich zu anderen kostenlosen Führungen dieser Art, die ich schon in New York und London mitgemacht hatte, war die Gruppe hier verhältnismäßig groß, trotzdem war das ein lösbares Hindernis für die Dame. Auch wenn die Führung komplett in Englisch war, nannte sie die Stadt immer die polnische „schwierige“ Aussprache betonend Gdańsk, weshalb ich Danzig in diesem Blogeintrag auch immer so nenne 😀 Die Tour war, mit einer Pause versehen, gut gemacht und ein bisschen was ist noch hängengeblieben, was sich unter den nachfolgenden Bild-Eindrücken aus Gdańsk (hihi :D) findet:

Das Bernsteinmuseum und frühere Gefängnis
Blick auf die "lange Straße"
Der Neptunbrunnen
Blick auf die Mottlau mit dem damals von Hand betriebenen Krantor hinten links
Diese Gassen waren früher mal nur mit dem Wasserweg zu erreichen, weshalb es die Vorbauten gibt.
Das Gebäude der Post, welches von den Deutschen im September '39 angegriffen wurde, markierte das Ende der Tour

Wenn man denn schon aus Deutschland kommend in Gdańsk ist, sollte man geschichtlich auch einen Zwischenstopp bei Westerplatte machen. Denn während nahezu alle Straßen, Stadtteile und Orte nach dem Kriegsverlust 1945 polnische Namen bekamen, blieb Westerplatte deutsch – symbolisch für den hier stattfindenden Anfang des zweiten Weltkriegs am 1. September 1939. Da dieser Teil etwas abseits von der Innenstadt war, gab die Möglichkeit mit dem Schiff dahinzukommen. Neben der alltäglichen Dieselfähre gab es auch zwei sich abwechselnde Piratenschiffe, die wir dann für 11€/Person hin und zurück auch nahmen. Auf dem Schiff verspeisten wir einen Käsekuchen, der aber nicht so viel mit Käsekuchen gemeinsam hatte, wie wir erwartet hatten („er schmeckte ganz okay, aber nochmal würde ich ihn nicht bestellen“) und als Getränk gab es dazu aus der Cocktail-Karte einen Cuba Libre, der vom Geschmack mehr Cola als Rum war. Der Rum kam dann erst während der Fahrt zur Geltung, aber glücklicherweise werde ich nicht seekrank 😀
Während es auf der Hinfahrt einen Guide gab, der hier und da mal ein wenig versuchte die Landschaft am Fluss entlang zu beschreiben, was er in teilweise vier Sprachen hintereinander tat, gab auf der Rückfahrt ein Musiker der Fahrt eine ganz besondere Atmosphäre mit Seefahrts- und Schunkelliedern, die ich selbst zwar alle nicht kannte. Doch es gab eine aus Deutschland stammende Männerrunde, die im unteren Teil des Schiffes stand und zumindest den Refrain von Die kleine Kneipe im Chor beitrug, wenn auch auf Deutsch.

Das Westerplatte-Schild
Das Westerplatte-Denkmal. Viele Inschriften sind auf Polnisch, aber nicht alle konnte ich entziffern. Vorne vor dem runden Aufgang zum Denkmal gab es ein Zitat von Papst Johannes Paul II.
Aussicht von der Denkmal-Plattform aus mit dem Schriftzug "Nigdy więcej wojny" - "Nie wieder Krieg"
In die Überreste dieser Baracke konnte man reingehen

Auf Westerplatte hatten wir leider nur eine knappe Stunde Zeit, bevor die Rückfahrt ging und vom Anleger des Schiffs musste man auch noch eine Viertelstunde zum Denkmal gehen (uns konnte niemand sagen, ob es danach noch garantiert ein Schiff zurück geben würde und da fühlte ich mich insgesamt ein wenig wie bei Achtung Abzocke). Wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass wir außerhalb der Saison in Gdańsk waren, war es beim Denkmal um 15 Uhr vergleichsweise sehr leer, insbesondere durch den von oben sichtbaren Schriftzug „Nigdy więcej wojny“ („Nie wieder Krieg“) und die Andenktafeln war es doch etwas bedrückend, wo die Leere dann aber auch ganz gut war…

Das Piratenschiff, mit dem wir die Rückfahrt bestritten haben
Die Bonbon-Manufaktur auf der langen Straße. Auf der Suche danach sind wir direkt dran vorbeigelaufen... :D

Nach der Schiffsfahrt deckten wir uns mit Postkarten und Briefmarken ein, ehe wir in der Süßwarenmanufaktur „Ciu Ciu“ bei der händischen Herstellung von Bonbons zuschauten, die man auch probieren konnte. Anschließend kehrten wir in die Pierogarnia u Dzika ein, um leckere polnische Pierogi (zu Deutsch Piroggen) zu essen. Während die Kellner wohl heute ihren schlechten Tag hatten, war das Essen sehr sehr lecker 🙂

Pierogi auf die süße Art, gefüllt mit Frischkäse, darauf Sahne, gesüßt. Neben einem polnischen Bier haben wir hier auch die Postkarten geschrieben

Polnisches Essen

Am letzten Tag ließen wir uns mit dem Frühstück (ich glaube, ich habe noch nicht erwähnt, wie lecker das war xD ) Zeit, denn ich hatte die Rückfahrt auf BlaBlaCar mit 15 Uhr angegeben, eine Zusage und die war zeitlich wenig flexibel. Also saßen wir ein wenig am bewölkten Strand und beobachteten die teilweise sehr intelligent wirkenden Möwen, von denen ich eine auf den Namen „Paul-Otto Chantal“ taufte, wuschen und saugten ein wenig das Auto, von dem man aber schon auf der Fähre zurück überhaupt nichts mehr sehen konnte und machten und irgendwann dann wieder zurück in Richtung Usedom. Auf halber Strecke kehrten wir dabei durch ein größer werdendes Hungergefühl an einer Raststätte an der DK6 ein, die ziemlich modern aber verlassen aussah. Denn sie stand im Nirgendwo und wir waren die einzigen Gäste, was uns so ein bisschen komisch vorkam. Trotzdem bestellten wir was zu essen und zu trinken und ehe wir Wetten abgeschlossen hatten, wie lange die freundliche aber verpeilte Bedienung, die mit der Anordnung eines Frühstück-ähnlichen Buffets beschäftigt war, zum Essen bringen brauchte, war jenes auch schon da. Und es war ein Teller, der nicht nur megagut roch, sondern auch superlecker schmeckte und mit umgerechnet fünf Euro pro Portion kann man nichts sagen.

Es trifft sich an dieser Stelle ganz gut, dass ich das letzte Erlebnis der Rückfahrt schon vorweg genommen habe, denn so kann ich eins definitiv nochmal zum Ende hin wiederholen: Polnisches Essen ist ein Traum <3

Das Abendessen auf dem Heimweg... <3

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